Digitalisierungsrichtlinie II: Neue Standards im europäischen Gesellschaftsrecht

Ende Januar 2025 trat die Digitalisierungsrichtlinie II (RL (EU) 2025/25) in Kraft. Ziel ist es, bürokratische Hürden für Unternehmen abzubauen, die Transparenz zu erhöhen und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit innerhalb der EU zu erleichtern. Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie bis zum 31.07.2027 in nationales Recht umsetzen.

Die Richtlinie zielt darauf ab, grenzüberschreitende Geschäfte in der EU durch den Einsatz digitaler Instrumente und Verfahren im EU-Gesellschaftsrecht einfacher und effizienter zu gestalten, Bürokratie abzubauen und Unternehmensinformationen leichter zugänglich und einheitlicher zu machen. Außerdem wurde der Prüfungsumfang erweitert und umfasst nunmehr auch Gründungsakte, Satzungsänderungen und Einlagenleistungen. Neben Kapitalgesellschaften werden auch Personenhandelsgesellschaften unter Berücksichtigung nationaler Besonderheiten einbezogen. Die Regelungen gelten sowohl für Online- als auch für Präsenzverfahren und gewährleisten ein europaweit einheitliches Mindestmaß an Kontrolle.

Ausweitung der öffentlichen Präventivkontrolle

Die Richtlinie stärkt die öffentliche Präventivkontrolle, indem Notare neben Gerichten und Behörden nun offiziell zuständig sind und verlässliche Daten bereitstellen und überwachen. 

Neu ist die detaillierte Rechtmäßigkeitskontrolle bei Gründung, Satzungsänderungen und Einlagen. Erstmals werden auch Personenhandelsgesellschaften erfasst, mit Ausnahmen nach nationalem Recht. In Deutschland bleibt die Kontrolle begrenzt, da OHG- und KG-Verträge nicht registrierungspflichtig sind.

Die Richtlinie überträgt zudem die bereits für Online-Verfahren geltende Kontrolle auf analoge Präsenzverfahren und harmonisiert damit das europäische Gesellschaftsrecht.

Grenzüberschreitende Nutzung von Unternehmensdokumenten

Ein zentraler Bestandteil der Richtlinie ist die verbesserte Vernetzung verschiedener Unternehmensregister. Das bereits bestehende Business Registers Interconnection System (BRIS) wird mit weiteren Netzwerken verbunden:

  • BORIS (Beneficial Ownership Registers Interconnection System): Dieses Netzwerk enthält Informationen zu wirtschaftlich Berechtigten von Gesellschaften.
  • IRI (Insolvency Registers Interconnection): Hier werden Informationen über Insolvenzverfahren gesammelt.

Durch diese Vernetzung wird ein einheitlicher Zugangspunkt geschaffen, über den relevante Unternehmensinformationen effizient abgerufen werden können. Zudem sollen grundlegende Informationen über Personenhandelsgesellschaften über BRIS abrufbar sein, ähnlich den Offenlegungsanforderungen für Kapitalgesellschaften.

Vereinfachung durch das „Once-Only“-Prinzip

Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Digitalisierungsrichtlinie II ist die Umsetzung des Once-Only-Prinzips. Dies bedeutet, dass Unternehmen bestimmte Informationen nicht mehrfach bei verschiedenen Behörden einreichen müssen. So müssen beispielsweise Informationen über die Gründung einer Muttergesellschaft bei der Gründung einer Tochtergesellschaft nicht erneut eingereicht werden, wenn diese Informationen bereits in einem nationalen Register hinterlegt und über BRIS abrufbar sind. Dies reduziert den Verwaltungsaufwand erheblich und beschleunigt die Geschäftsprozesse.

Digitale EU-Vollmacht

Die digitale EU-Vollmacht soll die grenzüberschreitende Vertretungsmacht in gesellschaftsrechtlichen Vorgängen ermöglichen. Sie basiert auf einem standardisierten Musterformular, wobei die eigentliche Erteilung und Gestaltung nach nationalen Vorgaben erfolgt. Dabei muss zumindest die Identität, die Rechts- und Geschäftsfähigkeit sowie die Vertretungsbefugnis des Vollmachtgebers bei der Ausstellung der Vollmacht geprüft werden. Außerdem muss die Vollmacht im Handelsregister hinterlegt werden. Die EU-Vollmacht soll über Vertrauensdienste gemäß der eIDAS-Verordnung authentifiziert und kann über das EU Digital Identity Wallet vorgelegt werden.

EU-Gesellschaftsbescheinigung

Die EU-Gesellschaftsbescheinigung wird verwendet, um wesentliche Unternehmensdaten wie Existenz, Sitz und Vertretungsregelungen offiziell und einheitlich nachzuweisen. Sie ersetzt die nationalen Registerauszüge (und die damit verbundenen Übersetzungen und Beglaubigungen) und ist kostenlos in allen EU-Sprachen und in elektronischer Form erhältlich. Diese Bescheinigung wird vom jeweiligen Heimatregister ausgestellt und gilt zum Zeitpunkt ihrer Ausstellung als „hinreichender Nachweis“ der darin enthaltenen Angaben, der von den Mitgliedstaaten akzeptiert wird.

Vereinfachter Echtheitsnachweis für ausländische Dokumente

Die Echtheitsprüfung ausländischer Dokumente wird durch den Wegfall von Legalisation und Apostille vereinfacht. Für elektronische Dokumente wird eine eIDAS-Authentifizierung benötigt, für Papierdokumente bestimmte Prüfmerkmale. Übersetzungen sind bei standardisierten Formaten nicht erforderlich und dürfen in der Regel nicht verlangt werden. Beglaubigte Übersetzungen sind nur erforderlich, wenn der Verwendungszweck dies zwingend erfordert. Die Beweiswirkung richtet sich nach nationalem Recht.

Hinweis: Im Rahmen der Evaluierung der Richtlinie bis zum 31.07.2032 soll von der EU-Kommission geprüft werden, ob die Offenlegung zusätzlicher Informationen über Gruppen oder die Einbeziehung von Genossenschaften in die Regelungen sinnvoll ist.

Ansprechpartner

Haben Sie Fragen oder benötigen Sie Unterstützung?

Wenden Sie sich gerne an Ihren lokalen Ansprechpartner oder nehmen Sie Kontakt mit uns auf. Unsere Kolleginnen und Kollegen helfen Ihnen bei allen auftretenden Fragen weiter.