BGH: Auslegung einer Fortführungsklausel in einem GbR-Gesellschaftsvertrag

Wird in einer Fortsetzungsklausel vereinbart, dass bei Ausscheiden eines Gesellschafters die Gesellschaft fortbesteht, soweit mindestens zwei Gesellschafter verbleiben, so ist nach einer Entscheidung des BGH der Weiterbestand der Gesellschaft ausdrücklich an die Bedingung geknüpft, dass eine Mehrheit von Gesellschaftern verbleibt.

Beim Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) geht das Gesellschaftsvermögen grundsätzlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den letzten verbleibenden Gesellschafter über. Die Entscheidung des BGH vom 29.10.2024 (II ZR 222/21) zeigt, dass die Privatautonomie aber eine entscheidende Rolle spielt und die beabsichtigte Bedeutung der Fortführungsklausel im Gesellschaftsvertrag maßgeblich ist.

Darum ging es

Der Kläger und der Streithelfer waren ab dem 01.01.2008 durch einen Sozietätsvertrag als GbR verbunden. Der Vertrag vom 08.11.2007 regelte, dass die Sozietät bei Ausscheiden eines Gesellschafters fortgeführt wird, sofern mindestens zwei verbleiben. Zudem war jeder Gesellschafter allein zeichnungsberechtigt für das Sozietätskonto. Am 14.11.2007 beantragten der Kläger und der Streithelfer bei der Beklagten die Eröffnung eines Gemeinschaftskontos mit Einzelverfügungsberechtigung („Oder-Konto“). Der Gesellschaftsvertrag konnte eine weitergehende Vertretungsberechtigung vorsehen.

Ende September 2016 kündigte der Streithelfer die Sozietät zum 31.12.2017. Am 27.12.2017 widerrief er die Alleinverfügungsberechtigung des Klägers über die Sozietätskonten, woraufhin die beklagte Bank diese auf Gemeinschaftsverfügungsberechtigung umstellte. Der Kläger forderte am 05.01.2018 die Umschreibung der Konten auf ihn als Gesamtrechtsnachfolger, was die Beklagte ablehnte. Der Kläger setzte die Beklagte daraufhin in Verzug.

Das Landgericht wies die Klage ab. Das Kammergericht gab der Berufung des Klägers teilweise statt. Nach Ansicht des Berufungsgerichts sei durch die Kündigung des Streithelfers zum 31.12.2017 die Gesellschaft ohne Liquidation beendet worden und das Gesellschaftsvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Kläger übergegangen. Diese Auslegung stützte sich auf § 18 des Sozietätsvertrags, der einen Übergang der Anteile des ausscheidenden Gesellschafters auf die „übrigen Gesellschafter“ vorsah. Das Gericht argumentierte, dass auch ein einzelner Gesellschafter als „übrig“ gelten könne.

Entscheidung des BGH

Der BGH hat das Urteil des Kammergerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung zurückverwiesen. Der BGH widersprach der Interpretation des Kammergerichts, da sie gegen anerkannte Auslegungsregeln verstoße. Er stellte klar, dass die Fortsetzung der Gesellschaft gemäß § 18 Abs. 1 des Sozietätsvertrags voraussetze, dass mindestens zwei Gesellschafter verbleiben. Die Auslegung des Berufungsgerichts verkenne den systematischen Zusammenhang der Klausel und sei nicht mit deren Wortlaut vereinbar. Daher könne nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass das Gesellschaftsvermögen automatisch auf den Kläger übergegangen sei.

Hinsichtlich der Umschreibung der Gesellschaftskonten hatte das Berufungsgericht befunden, dass die Beklagte nicht in Verzug geraten sei. Sie durfte die Umschreibung an einen rechtlichen Nachweis knüpfen, zumal sich durch den Widerruf der Einzelverfügungsberechtigung des Klägers eine unklare Rechtslage ergab. Der BGH stellte fest, dass eine abschließende Klärung dieser Frage erst erfolgen könne, wenn das Berufungsgericht die rechtlichen Grundlagen der Gesamtrechtsnachfolge erneut prüfe.

Mit der Aufhebung der Feststellung, dass die Beklagte zur Umschreibung der Konten verpflichtet sei, entfiel auch die Grundlage für die Feststellung eines Verzugs. Das Berufungsgericht müsse daher sowohl die Frage der Gesamtrechtsnachfolge als auch die Verzugslage nochmals untersuchen.

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