Oberste Finanzbehörden aktualisieren drei Erlasse zur Grunderwerbsteuer
Die Änderungen betreffen insbesondere die Verlängerung der einzuhaltenden Fristen der Steuervergünstigungen in den §§ 5 und 6 GrEStG, die befristete Beibehaltung des Gesamthandsprinzips bei Personengesellschaften sowie Ausführungen zu Anteilsvereinigungen von mindestens 90% an einer Gesellschaft mit Grundbesitz.
Vergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG
Die Gleich lautenden Erlasse der Finanzbehörden der Länder nehmen zu den Vergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG Stellung. Durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.01.2021 wurden die Fristen für Steuervergünstigungen gemäß §§ 5 und 6 GrEStG von fünf auf zehn Jahre verlängert. § 5 Abs. 3 S. 1 bzw. § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG regelt, dass eine gewährte Vergünstigung rückwirkend versagt wird, sofern sich innerhalb der festgelegten Behaltensfrist nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand der Anteil des übertragenden Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand verringert.
Eine Verringerung des Anteils des übertragenden Gesamthänders am Vermögen der Gesamthand kann beispielsweise durch das Ausscheiden aus der Gesellschaft, die Reduzierung der Beteiligung durch Verkauf oder Übertragung an andere Gesellschafter oder an einen Treuhänder sowie die Aufnahme neuer Gesellschafter erfolgen.
Auch durch andere Vereinbarungen (zum Beispiel schuldrechtlicher Art) kann eine Verringerung des Anteils des übertragenden Gesamthänders am Vermögen der Gesamthand erfolgen, wenn dadurch trotz ansonsten unveränderter bürgerlich-rechtlicher Beteiligung am Gesamthandsvermögen eine wirtschaftliche Beschränkung oder Aufgabe der Beteiligung am wirtschaftlichen Wert des Gesellschaftsanteils und somit am Wert des eingebrachten Grundstücks erfolgt.
Keine schädliche Verminderung in diesem Sinne liegt vor, soweit sich der Anteil des übertragenden Gesamthänders am Vermögen der Gesamthand allein durch den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit) vermindert. Hintergrund ist die durch den Brexit eingetretene Umqualifizierung einer Limited von einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft bzw. bei Gesellschaften mit nur einem Gesellschafter in eine natürliche Person. Die entsprechende Nachfolge der Limited setzt die verbleibende Behaltensfrist fort; wird diese verletzt, ist insoweit eine gewährte Steuervergünstigung rückwirkend zu versagen.
Die Behaltensfrist beginnt mit dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand und orientiert sich am Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs gemäß § 23 GrEStG. Die Berechnung der Frist erfolgt gemäß den §§ 186 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Für Rechtsvorgänge, die vor dem 01.07.2021 verwirklicht wurden und die unter die Übergangsregelungen des § 23 Abs. 24 GrEStG fallen, gilt dieser Erlass mit der Maßgabe, dass eine Fünfjahresfrist anzuwenden ist. § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG ist erst für nach dem 30.06.2021 verwirklichte Erwerbsvorgänge anzuwenden (§ 23 Abs. 18 GrEStG).
Personengesellschaften als Gesamthandsgemeinschaften
Gesamthandsgemeinschaften im Sinne der §§ 5 und 6 GrEStG sind Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG), Partnerschaftsgesellschaften, Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR, eGbR), Erbengemeinschaften sowie (fortgesetzte) Gütergemeinschaften. Nach § 24 GrEStG i. V. m. § 14a Abs. 2 Nr. 2 AO gelten rechtsfähige Personengesellschaften vom 01.01.2024 bis zum 31.12.2026 weiterhin als Gesamthandsgemeinschaften und deren Vermögen als Gesamthandsvermögen.
Anteilsvereinigung von mindestens 90% an einer Gesellschaft mit Grundbesitz
Gemäß § 1 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes löst der Erwerb von mindestens 90% der Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft oder der Übergang bereits vereinigter Anteile Grunderwerbsteuer aus. Diese Übertragungen können direkt, indirekt oder teilweise direkt und indirekt über eine andere Gesellschaft erfolgen. Beim direkten Erwerb wird der Käufer selbst rechtlich zum Gesellschafter der grundbesitzenden Gesellschaft. Beim indirekten Erwerb erwirbt der Käufer keine direkte Gesellschafterstellung in der grundbesitzenden Gesellschaft, sondern hält Beteiligungen an ihr über eine oder mehrere andere Gesellschaften. Die Beurteilung, ob ein indirekter Erwerb vorliegt, erfolgt anhand des Wortlauts, Sinns und Zwecks des § 1 Abs. 3 GrEStG, da das Zivilrecht keine Regelungen für einen indirekten Erwerb vorsieht.
Die Erlasse verweisen hinsichtlich der Frage, ob und wann eine Gesellschaft ein Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG besitzt, auf die Gleich lautenden Erlasse der Finanzbehörden der Länder zur Zurechnung von Grundstücken für die Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG vom 16.10.2023.
Bei Kapitalgesellschaften und dem indirekten Erwerb eines Anteils an einer Personengesellschaft zählt allein die Beteiligung am Gesellschaftskapital oder -vermögen. Die mit den Anteilen verbundenen Rechte, wie beispielsweise Stimmrechte, sind nicht entscheidend. Eigene Anteile werden bei der Berechnung der 90%-Grenze nicht berücksichtigt. Wertpapiere wie American Depository Receipts (ADRs), die keine Anteilsrechte vermitteln, fallen nicht darunter. Beim direkten Erwerb eines Anteils an einer Personengesellschaft ist die sachenrechtliche Mitberechtigung maßgeblich. Gemäß § 24 GrEStG gelten rechtsfähige Personengesellschaften und ihr Vermögen bis zum 01.01.2027 als Gesamthandsvermögen.
Für die Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG wird die Stärkung einer bereits bestehenden Anteilsvereinigung nicht berücksichtigt. Das gilt sowohl für die Verkürzung der Beteiligungskette als auch für den Wechsel von einer mittelbaren zu einer unmittelbaren Beteiligung oder die Erhöhung der Beteiligung. Es handelt sich hierbei um keinen steuerbaren Vorgang. Es spielt keine Rolle, ob die Gesellschaft, die nun über Grundbesitz verfügt zuvor steuerpflichtig erworben wurde oder nicht. Dies gilt sowohl für Grundstücke, die der grundbesitzenden Gesellschaft zum Zeitpunkt der vorangegangenen Anteilsvereinigung zugeordnet waren, als auch für solche, die die Gesellschaft erst danach erworben hat.
Die Finanzverwaltung bleibt bei ihrer Auffassung, dass im Signing/Closing-Fall zwei Erwerbsvorgänge vorliegen. Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG handelt es sich um einen Erwerbsvorgang beim Signing und gemäß § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG um einen weiteren Erwerbsvorgang beim Closing. Die Verfahrensrichtlinien werden an die Änderungen durch das Jahressteuergesetz (JStG) 2022 angepasst.
Die obersten Finanzbehörden der Länder haben sich auch zur Anwendung des § 1 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 GrEStG auf Organschaftsfälle geäußert. Im Grunderwerbsteuerrecht hat das Konzept der Organschaft keine eigenständige Bedeutung. Allerdings erlangt die Organschaft im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG Bedeutung, da sie in der Regel die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung von Unternehmen i. S. d. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG voraussetzt. Die mittelbare Anteilsvereinigung tritt ein, wenn mindestens 90% der Anteile einer Gesellschaft mit inländischem Grundbesitz durch herrschende und abhängige Unternehmen oder ausschließlich durch abhängige Unternehmen erworben werden. Das Abhängigkeitsverhältnis ersetzt dabei die üblicherweise erforderliche direkte oder indirekte 90%ige Beteiligung des Erwerbers an zwischengeschalteten Gesellschaften.
Für Rechtsvorgänge, die vor dem 01.07.2021 verwirklicht werden oder die unter die Übergangsregelung des § 23 Abs. 21 GrEStG fallen, gilt dieser Erlass mit der Maßgabe, dass die Beteiligungsgrenze von 95% anzuwenden ist.
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