IDW veröffentlicht fachlichen Hinweis zu den Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Rechnungslegung

Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat am 8. März 2022 einen „Fachlichen Hinweis“ zu den Auswirkungen des Ukraine-Konflikts auf die Rechnungslegung und deren Prüfung veröffentlicht.

Überblick

Die Ausführungen betreffen insbesondere die Berichtspflichten sowie den Anhang und den Lagebericht für Ereignisse nach dem Abschlussstichtag. Im Rahmen der Prüfung können sich neben Konsequenzen für die Feststellung und Würdigung von Ereignissen nach dem Abschlussstichtag auch Auswirkungen auf die Risikobeurteilung, Berichterstattung und Kommunikation des Abschlussprüfers ergeben. Hier gibt es Parallelen zum Beginn der Corona-Pandemie, bei der viele Abschlüsse zum zurückliegenden Abschlussstichtag auch noch nicht abschließend aufgestellt und geprüft oder noch nicht festgestellt und gebilligt waren.

Auswirkungen auf die Rechnungslegung zum Stichtag 31. Dezember 2021

Einordnung der Ukraine-Krise als wertbegründendes Ereignis
Die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des Ukraine-Konflikts sind nach Ansicht des IDW für handelsrechtliche Abschlüsse auf Stichtage vor dem 24. Februar 2022 als wertbegründend einzustufen. Maßgebliches Ereignis ist der Grenzübertritt am 23. Februar 2022, so dass bilanzielle Konsequenzen aufgrund des Stichtagsprinzips erst nach diesem Datum zu berücksichtigen sind.

Bezüglich der Frage, ob es sich um berücksichtigungspflichtige oder nicht zu berücksichtigende Ereignisse nach dem Abschlussstichtag bei IFRS-Abschlüssen handelt, gelten die handelsrechtlichen Ausführungen entsprechend. Eine Verschlechterung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nach dem Abschlussstichtag kann nach Ansicht des IDW ein Hinweis darauf sein, dass eine Überprüfung hinsichtlich der Aufstellung des Abschlusses unter der Annahme der Unternehmensfortführung erfolgen muss. Dafür muss das Unternehmen sämtliche verfügbaren Informationen über die Zukunft berücksichtigen.

Auswirkungen auf die Nachtragsberichterstattung
Da der Ausbruch des Konfliktes als wertbegründend einzustufen ist, ist auch im handelsrechtlichen (Konzern-)Abschluss darüber zu berichten, wenn ein „Vorgang von besonderer Bedeutung“ vorliegt. Dies ist der Fall, wenn seine Auswirkungen geeignet sind, das Bild, das der Abschluss zum Abschlussstichtag vermittelt, zu beeinflussen und ohne die Nachtragsberichterstattung die Entwicklung nach dem Abschlussstichtag von den Abschlussadressaten wesentlich anders beurteilt werden würde. Ob das der Fall ist, muss für jedes Unternehmen im Einzelfall entschieden werden.

Zur Erfüllung der Anhangangabepflicht hinsichtlich der Art des Vorgangs ist es ausreichend, dass ein allgemeiner Hinweis aufgenommen wird. Die finanziellen Auswirkungen sind bei der jeweils betroffenen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage darzustellen, wobei eine qualitative Berichterstattung ausreichend ist. Sie muss allerdings so umfassend sein, dass sie die Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens verdeutlicht und Hinweise für die weitere Entwicklung des Unternehmens gibt.

Bei Abschlüssen nach IFRS muss für den Fall, dass ein nicht zu berücksichtigendes Ereignis wesentlich ist, über die Art des Ereignisses berichtet werden. Zusätzlich ist eine Schätzung der finanziellen Auswirkungen im Anhang anzugeben. Ist eine solche Schätzung nicht möglich, ist auch dies zu dokumentieren.

Besonderheiten für Klein- und Kleinstgesellschaften
Für Klein- und Kleinstgesellschaften ist aufgrund der gesetzlichen Befreiungsvorschriften in Bezug auf Nachtrags- bzw. Lageberichterstattung keine entsprechende Berichterstattung erforderlich. Etwas anderes gilt nur, wenn bedeutsame Zweifel an der Fortführung der Unternehmenstätigkeit bestehen. Insofern muss der Bilanzierende darüber berichten.

Angabepflichten bei der Beurteilung der Going-Concern-Annahme
Bei der Aufstellung eines Abschlusses muss das Management eine Einschätzung über die Fortführung des Geschäftsbereichs treffen. Ist der Abschluss unter Zugrundelegung der Going-Concern-Annahme gerechtfertigt, kann es dennoch bestandsgefährdende Risiken geben, die Zweifel an der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen können. In diesem Fall muss diese Tatsache sowie der geplante Umgang mit diesem Risiko im Anhang angegeben werden. Das kann im Nachtragsbericht oder zu Beginn des Anhangs erfolgen. Bei bestandsgefährdenden Risiken sind diese explizit als solche im Lagebericht zu benennen. Ein pauschaler Hinweis auf bestandsgefährdende Risiken infolge bestehender Unsicherheiten und Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens im Anhang bzw. Lagebericht allein ist nach Ansicht des IDW nicht ausreichend.

Anforderungen an die Genauigkeit der Prognosen in der Lageberichterstattung
Eine Berichtspflicht im Risikobericht besteht grundsätzlich dann, wenn es in der weiteren Entwicklung zu negativen Abweichungen von Prognosen oder Zielen des Unternehmens bzw. des Konzerns kommen kann, es sich dabei um ein wesentliches Einzelrisiko handelt und andernfalls kein zutreffendes Bild von der Risikolage des Unternehmens bzw. des Konzerns vermittelt wird. Die Ukraine-Krise sollte sich daher zumindest im Risikobericht niederschlagen.

Geht das Management bereits bei den prognostizierten Leistungsindikatoren von einer geänderten Erwartung aus, ist dies in sachgerechter Weise im Prognosebericht zu verarbeiten. Unternehmen, deren Tätigkeiten wesentlich von den unmittelbaren und/oder vor allem von den mittelbaren Auswirkungen des Konflikts betroffen sind, können anstelle der grundsätzlich notwendigen Punkt-, Intervall- oder qualifiziert-komparativen Prognosen auch unter bestimmten Voraussetzungen eine rein komparative Prognose abgeben oder die Darstellung der voraussichtlichen Entwicklung der zur internen Steuerung verwendeten finanziellen und nichtfinanziellen Leistungsindikatoren in verschiedenen Zukunftsszenarien unter Angabe ihrer jeweiligen Annahmen vornehmen. Ein vollständiger Verzicht auf eine Prognoseberichterstattung ist unzulässig.

Auswirkungen bei ukrainischen, russischen oder belarussischen Tochterunternehmen
Bei handelsrechtlichen Abschlüssen müssen Tochterunternehmen nicht im Wege der Vollkonsolidierung in den Konzernabschluss einbezogen werden, wenn die für die Aufstellung des Konzernabschlusses erforderlichen Angaben nicht ohne unverhältnismäßig hohe Kosten oder unangemessene Verzögerungen zu erhalten sind. Nach Auffassung des IDW kann dies der Fall sein, wenn Tochterunternehmen in den drei Ländern die sog. „Reporting Packages“ nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung liefern können. Sofern es allerdings schon geeignete Hochrechnungen oder vorläufige Zahlen gibt, die gegebenfalls mit vertretbarem Aufwand angepasst werden können, liegt eine solche Ausnahme nicht vor.

Ist die Einbeziehung nicht mehr möglich, muss bei fortbestehender Konzernrechnungslegungspflicht geprüft werden, ob subsidiär die Beteilung an dem betreffenden Tochterunternehmen im Konzernabschluss mit ihrem Equity-Wert nach § 312 HGB zu bewerten ist.

Bei Abschlüssen nach IFRS gibt es kein ausdrückliches, den Regelungen des § 296 Abs. 1 Nr. 2 HGB vergleichbares Konsolidierungswahlrecht.

Auswirkungen auf die Abschlussprüfung

Auswirkungen auf die Risikoidentifizierung und -beurteilung
Die Auswirkungen des Ukraine-Konflikts können das Risiko von unbeabsichtigten oder beabsichtigten Falschdarstellungen erhöhen. Der Abschlussprüfer muss daher ein erhöhtes Risiko im Rahmen seiner Risikobeurteilung würdigen.

Eine besondere Gefahr von unbeabsichtigter Falschdarstellung besteht vor allem im Nachtragsbericht im Anhang sowie im Prognose- und Risikobericht innerhalb des Lageberichts. Auch kann die Prognoseunsicherheit insbesondere bei Lieferketten mit Unternehmen im Krisengebiet oder von Sanktionen betroffenen Unternehmen in der Lieferkette hoch sein. Dies gilt auch, wenn die Absatzmärkte vom Konflikt oder von Sanktionen betroffen sind.

Das Risiko beabsichtigter Falschdarstellungen kann auch erhöht sein, wenn das Unternehmen einen Nachfrageeinbruch befürchtet und das Management bestimmte finanzielle Ziel dennoch erreichen muss.

Feststellung relevanter Ereignisse nach dem Abschlussstichtag
Durch geeignete Prüfungshandlungen hat der Prüfer sicherzustellen, dass er ausreichende Nachweise erlangt, um Ereignisse zwischen dem Abschlussstichtag und dem Datum des Bestätigungsvermerks, die sich auf die Rechnungslegung auswirken können, festzustellen. Dazu gehören sowohl wertbegründende Ereignisse und die damit zusammenhängenden Ergänzungen bzw. Anpassungen des Risiko- bzw. Prognoseberichts im Lagebericht als auch die Sicherstellung, dass wertbegründende Ereignisse in der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung nicht berücksichtigt werden, es sei denn, sie haben Auswirkungen auf die Fortführungsprognose.

Bei Konzernabschlussprüfungen muss sichergestellt werden, dass auch in den Teilbereichen, deren „Reporting Packages“ einer Prüfung unterzogen werden, die relevanten Ereignisse nach dem Abschlussstichtag festgestellt und gewürdigt werden.

Going-Concern-Prämisse und prognostische Angaben
Die dynamische Entwicklung und die unklaren Folgen allein begründen nicht das Vorliegen eines Prüfungshemmnisses in Bezug auf die Beurteilung von Rechnungslegungsinformationen, denen zukunftsbezogene Sachverhalte zugrunde liegen. Dies kann aber gegeben sein, wenn dem Prüfer keine ausreichenden Prüfungsnachweise zur Verfügung stehen.

Die vorgelegten Annahmen der gesetzlichen Vertreter müssen ausreichend begründet sein und vom Prüfer dahingehend gewürdigt werden, ob sie u. a. auf aktuellen Informationen aufsetzen, konsistent sind und mit den anderen getroffenen Einschätzungen und Maßnahmen in Einklang zu bringen sind.  

Ein Verzicht auf die Einschätzung ist nach Ansicht des IDW trotz der hohen Unsicherheit nicht zulässig. Sind die gesetzlichen Vertreter nicht bereit, ihre Einschätzung abzugeben, hat der Abschlussprüfer die Auswirkungen auf seinen Bestätigungsvermerk abzuwägen.

Bestandsgefährdende Risiken und entwicklungsbeeinträchtigende Tatsachen
Ein bestandsgefährdendes Risiko liegt vor, wenn wesentliche Unsicherheiten im Zusammenhang mit Ereignissen oder Gegebenheiten bestehen, die bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen können, aber dennoch ein Abschluss unter Zugrundelegung der Going-Concern-Annahme aufgestellt werden kann. Besteht eine wesentliche Unsicherheit, ist darüber im Abschluss und im Lagebericht angemessen zu informieren und der Abschlussprüfer muss in seinem Bestätigungsvermerk in einem gesonderten Abschnitt auf die Unsicherheit hinweisen.

Der Prüfer muss auch über entwicklungsbeeinträchtigende Tatsachen in seinem Prüfungsbericht informieren. Darunter fallen alle Tatsachen, die die Entwicklung des Unternehmens wesentlich beeinträchtigen, ohne bereits zu einer Bestandsgefährdung zu führen. Da eine trennscharfe Abgrenzung von entwicklungsbeeinträchtigenden Tatsachen und bestandsgefährdenden Risiken nicht immer möglich ist, muss dies stets anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.

Berichterstattung über Key Audit Matters
Sachverhalte, die nach pflichtgemäßem Ermessen des Abschlussprüfers am bedeutsamsten in der Prüfung des Abschlusses für den aktuellen Berichtszeitraum waren (Key Audit Matters), können sich aus der aktuellen Ukraine-Krise ergeben.

Bei Prüfungen von auf den 31. Dezember 2021 aufgestellten Abschlüssen ist dabei an etwaige identifizierte Ereignisse oder Gegebenheiten, die bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen können, zu denken. Die Beurteilung der Frage, ob bei der Aufstellung des Abschlusses die Going-Concern-Prämisse zugrunde zu legen ist und ob wesentliche Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Fortführung der Unternehmenstätigkeit bestehen, kann aufgrund der hohen Unsicherheit auf das Vorliegen eines Key Audit Matters hindeuten.

Hervorhebung eines Sachverhalts im Bestätigungsvermerk
Grundsätzlich hat der Prüfer in den Bestätigungsvermerk einen Hinweis zur Hervorhebung eines Sachverhalts aufzunehmen, wenn er es für notwendig erachtet, die Adressaten auf einen Sachverhalt aufmerksam zu machen, der nach seiner Beurteilung von grundlegender Bedeutung für das Verständnis des betroffenen Prüfungsgegenstands durch die Adressaten ist. Er darf jedoch nicht aufgenommen werden, wenn der Sachverhalt als ein im Bestätigungsvermerk mitzuteilender, besonders wichtiger Prüfungssachverhalt (Key Audit Matters) bestimmt wurde, aufgrund des Sachverhalts ein Hinweis über eine wesentliche Unsicherheit im Zusammenhang mit der Fortführung der Unternehmenstätigkeit erforderlich ist oder das Prüfungsurteil modifiziert werden muss, weil das Management die Auswirkungen der derzeitigen Lage nicht angemessen im Abschluss oder Lagebericht dargestellt hat.

Bei auf den 31. Dezember 2021 aufgestellten Abschlüssen und Lageberichten kann der Abschlussprüfer einen Hinweis allerdings für notwendig erachten, wenn die gemachten Angaben im Nachtragsbericht und die Darstellungen im Prognose- und Risikobericht innerhalb des Lageberichts von grundlegender Bedeutung für das Verständnis des Abschlusses und des Lageberichts sind.

Kommunikation mit den für die Überwachung Verantwortlichen
Die vom Prüfer mit dem Aufsichtsorgan zu kommunizierenden Sachverhalte hängen stark von der Bedeutsamkeit der Ereignisse in der Ukraine für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens ab. Sie können z. B. die Auswirkungen auf den zeitlichen Ablauf der Prüfung, die Berichterstattung über wesentliche Probleme bei der Erlangung von Prüfungsnachweisen, die potenziell bestandsgefährdenden Risiken oder Sachverhalte betreffen, auf die der Abschlussprüfer im Bestätigungsvermerk besonders hinzuweisen hat.

Pflichten nach der Erteilung des Bestätigungsvermerks
Nach der Erteilung des Bestätigungsvermerks ist der Abschlussprüfer grundsätzlich nicht verpflichtet, zu dem geprüften Jahresabschluss und ggf. dem Lagebericht weitere Prüfungshandlungen vorzunehmen. Nach Ansicht des IDW erscheint es jedoch sachgerecht, dass der Abschlussprüfer bei ihm bekannt gewordenen Umständen, die möglicherweise von ganz erheblicher Bedeutung für das geprüfte Unternehmen sind, auf diese hinweist, solange der Abschluss nach der Kenntnis des Abschlussprüfers noch nicht festgestellt bzw. gebilligt wurde. Entscheiden die Unternehmensorgane, den Abschluss und/oder Lagebericht zu ändern, sind diese einer Nachtragsprüfung zu unterziehen, soweit es die Änderungen erfordern.

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