Grundsteuer: Nachweis niedrigerer gemeiner Wert im sog. Bundesmodell
Laut den Beschlüssen des BFH vom 27.05.2024 (II B 78/23, AdV; II B 79/23, AdV) ist das verfassungsrechtliche Übermaßverbot mindestens dann verletzt, wenn der pauschal festgestellte Grundsteuerwert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr überschreitet. Das bedeutet, dass wenn der Grundsteuerwert, mit dem Faktor 0,714 multipliziert, größer als der gemeine Wert ist, der gemeine Wert angesetzt werden kann. Die Finanzverwaltung reagiert auf diese Entscheidungen mit koordinierten Ländererlassen vom 24.06.2024.
Koordinierte Ländererlasse der Finanzverwaltung
Verstößt die pauschalierte Grundbesitzwertermittlung im Einzelfall gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot, muss eine verfassungskonforme Auslegung der Bewertungsvorschriften erfolgen. Die Finanzverwaltung ermöglicht daher im Bundesmodell unter bestimmten Voraussetzungen den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts und eine entsprechende Aussetzung der Vollziehung des Grundsteuermessbescheids. Mit den Ländererlassen wird daher nunmehr in allen offenen Fällen die Möglichkeit eingeräumt, einen um mindestens 28,58 % niedrigeren gemeinen Wert zum Hauptfeststellungszeitpunkt nachzuweisen.
Diese Regelung gilt für die elf Bundesländer, die das Bundesmodell anwenden. Darüber hinaus plant das BMF, im Jahressteuergesetz 2024 die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts in § 220 BewG aufzunehmen, was zu einer Klarstellung der Rechtslage führen soll.
Nach den Ländererlassen wird Anträgen auf AdV von angefochtenen Grundsteuermessbescheiden ab sofort stattgegeben, wenn schlüssig dargelegt werden kann, dass die 40 %-Grenze erreicht ist. Ein Verkehrswertgutachten muss zum Zeitpunkt des AdV-Antrags noch nicht vorliegen, ist aber zeitnah nachzureichen. Vorbehaltlich anderweitiger Erkenntnisse sind 50 % des Grundbesitzwertes von der Vollziehung auszusetzen.
Nachweispflichten des Steuerpflichtigen
Die Nachweispflicht für einen niedrigeren gemeinen Wert liegt beim Steuerpflichtigen. Dieser Nachweis kann erbracht werden durch:
- ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses gemäß §§ 192 ff. Baugesetzbuch
- ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken
- ein Gutachten eines nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Sachverständigen
Alternativ kann auch ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr ermittelter Kaufpreis als Nachweis dienen, sofern die maßgeblichen Verhältnisse zwischen dem Zustandekommen des Kaufpreises und dem Hauptfeststellungszeitpunkt unverändert sind und der Kaufpreis innerhalb eines Jahres vor oder nach diesem Zeitpunkt gebildet wurde.
Diese Grundsätze gelten auch für erbbaurechtsbelastete Grundstücke, wobei diese so zu behandeln sind, als ob sie nicht mit einem Erbbaurecht belastet wären. Der Steuerpflichtige muss den niedrigeren Wert nicht nur darlegen, sondern auch nachweisen.
Korrektur bei bestandskräftigen Bescheiden
In den Fällen, in denen der Grundbesitzwert um mindestens 40 % über dem nachgewiesenen gemeinen Wert liegt, gegen den Bescheid aber kein Rechtsmittel eingelegt wurde und der Bescheid somit bestandskräftig geworden ist, kommt ggf. eine Korrektur im Rahmen der fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung in Betracht.
Hinweis: Unklar ist, ob die die 40 %-Grenze nur für das Grundvermögen oder auch für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft gilt. Die vorliegenden Ländererlasse beziehen sich auf den „Siebten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes“, sprechen aber andererseits von „Grundvermögen“. Unter den erstgenannten Begriff würden auch land- und forstwirtschaftliche Betriebe fallen. Eine verfassungskonforme Auslegung müsste jedoch alle Vermögensarten einbeziehen, so dass eine Beschränkung der 40 %-Grenze auf Grundvermögen nicht zielführend ist.
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