Fit für das europäische CO2-Grenzausgleichssystem CBAM?

Im Rahmen des europäischen Green Deals und des Fit-for-55-Pakets hat die europäische Union beschlossen, Europa als ersten Kontinent weltweit bis zum Jahr 2050 klimaneutral aufzustellen. Dazu wurde ein umfangreiches Maßnahmenpaket erlassen.

Ein wichtiger Baustein ist der europäische CO2-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz: CBAM), welcher in Form der sogenannten CBAM-Verordnung am 16. Mai 2023 im Amtsblatt der europäischen Union veröffentlicht wurde (Verordnung (EU) 2023/956). Die CBAM-Verordnung soll einen Grenzausgleichsmechanismus für Kohlendioxid umsetzen, der der Verlagerung von Treibhausemissionen in Drittländer entgegenwirken soll. Perspektivisch sind für betroffene, in die EU importierte Waren die darin enthaltenen CO2-Emissionen zu ermitteln und je Tonne CO2-Emissionszertifikate zu erwerben. Es ist zu beachten, dass neben Kohlendioxid (CO2) auch die Treibhausgase Distickstoffoxid (N2O) und perfluorierte Kohlenwasserstoffe (KFWs) unter die Verordnung fallen.

Bereits zum 1. Oktober 2023 führt die Verordnung zu umfangreichen Berichtspflichten für Importeure von CO2-intensiven Produkten wie Aluminium, Chemikalien, Düngemittel, Strom, Wasserstoff und Zement, aber auch bestimmte Vorprodukte wie Eisen oder Stahl aus Nicht-EU-Ländern. Zum 1. Januar 2025 hat eine Registrierung als Importeur solcher Produkte (sog. CBAM-Anmelder) zu erfolgen, bevor diese ab dem 1. Januar 2026 sog. CBAM-Zertifikate zur Einfuhr CO2-intensiver Produkte erwerben und eine jährliche CBAM-Erklärung abgeben müssen.

Zurzeit können CO2-intensive Industrieunternehmen aus bestimmten Branchen kostenlose ETS-Zertifikate bekommen. Diese kostenlose Zuteilung wird durch die CBAM-Verordnung beendet, da die Verlagerung emissionsintensiver Herstellungstätigkeiten in Länder mit keinen oder weniger strengen Emissionsregelungen bzw. mit der einhergehenden günstigeren Bepreisung von Treibhausemissionen (sog. carbon-leakage) verhindert werden soll. Bis zum Jahr 2030 soll die Palette betroffener Produkte deutlich ausgeweitet werden, so dass unter anderem auch energieintensive Produkte wie organische und anorganische Chemikalien, Polymere, Mineralölprodukte, Glas, Ton, Papier und viele weitere in den CBAM-Mechanismus einbezogen werden.

Die CBAM-Implementierung unterliegt dem folgenden Zeitablauf:

Zeitablauf CBAM-Implementierung

 

Betroffene Unternehmen:

Importeure von CO2-intensiven Produkten aus Nicht-EU-Ländern gemäß Anlage 1 zur CBAM-Verordnung, im Wesentlichen:

  • Aluminium
  • Chemikalien
  • Düngemittel
  • Eisen
  • Stahl
  • Strom
  • Wasserstoff
  • Zement
  • Perspektivisch Erweiterung des Warenkatalog

Die CBAM-Betroffenheit basiert auf den allgemeinen Zolltarifen in Abhängigkeit von Zolltarifnummer und dem Ausfuhrland, bezieht sich also auf Zollanmelder. Der nächste Schritt für Unternehmen besteht darin, eine Analyse ihres Produktportfolios durchzuführen und CBAM-relevante Produkte zu identifizieren, um frühzeitig die CBAM-Betroffenheit zu erkennen (Betroffenheitsanalyse).

CBAM-Berichtspflicht ab dem 1. Oktober 2023:

Unter der CBAM-Verordnung müssen betroffene Unternehmen für jedes Quartal spätestens einen Monat nach Quartalsende einen CBAM-Bericht erstellen und an die EU-Kommission berichten, erstmals im Januar 2024 für das letzte Quartal des Jahres 2023. Der Bericht muss folgende Angaben enthalten:

  • Gesamtmenge jeder Warenart in Megawattstunden bei Strom und in Tonnen bei anderen Waren inklusive Aufschlüsselung nach Anlagen, die die Waren im Ursprungsland herstellen
  • Tatsächliche gesamte graue Emissionen in Tonnen CO2-Emissionen pro Megawattstunde Strom bzw. bei anderen Waren in Tonnen CO2-Emissionen pro Tonne jeder Warenart
  • Gesamte indirekte graue Emissionen in Tonnen CO2-Emissionen pro Tonne jeder anderen Warenart als Strom
  • CO2-Preis, der im Ursprungsland für CO2-Emissionen in Zusammenhang mit der Herstellung der eingeführten Waren entrichtet werden muss

Unter graue Emissionen versteht die CBAM-Verordnung direkte Treibhausgasemissionen, die bei der Warenherstellung freigesetzt werden bzw. indirekte Treibhausgasemissionen aus der Erzeugung von während der Warenherstellung verbrauchtem Strom oder anderen indirekten Emissionen.

Grundsätzlich ist der Einführer der von der CBAM-Verordnung betroffenen Waren mit Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union berichtspflichtig. Zu beachten ist auch die Meldepflicht indirekter Zollvertreter: Wenn der Einführer nicht in einem Mitgliedsstaat der EU ansässig ist, ist sein indirekter Zollvertreter (z.B. Tochterunternehmen mit Sitz in der EU) berichtspflichtig. Wenn der Einführer zwar in einem Mitgliedsstaat ansässig ist, jedoch eine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, kann wiederum der indirekte Zollvertreter des Einführers der Berichtspflicht unterliegen.

Die CBAM-Berichtspflicht endet mit Ablauf des 31. Dezembers 2025 und wird dann von der jährlichen CBAM-Erklärung abgelöst, die mit dem vollständig implementierten CBAM-Zertifikate-Handel einhergeht.

CBAM-Registrierungspflicht ab dem 1. Januar 2025:

Einführer von unter die CBAM-Verordnung fallenden Produkten können sich voraussichtlich ab dem 1. Januar 2025 als CBAM-Anmelder registrieren. Spätestens zum 1. Januar 2026 ist die Registrierung als CBAM-Anmelder Pflicht, um weiter Waren einführen zu können, die unter die CBAM-Verordnung fallen. Dazu richtet die EU-Kommission das sog. CBAM-Register ein. Über den Antrag auf Zulassung als CBAM-Anmelder entscheiden voraussichtlich die deutschen Zollbehörden. Wichtig: Ohne Status als CBAM-Anmelder können keine CBAM-Zertifikate erworben werden, die Voraussetzung für die weitere Einfuhr von unter die CBAM-Verordnung fallenden Produkte sind.

CBAM-Zertifikate-Handel und jährliche CBAM-Erklärung ab dem 1. Januar 2026:

Zum 1. Januar 2026 beginnt die Verpflichtung, CBAM-Zertifikate für von der CBAM-Verordnung betroffene Produkte zu erwerben. Diese stehen in Zusammenhang mit den mit der Einfuhr von betroffenen Waren verbundenen grauen Emissionen. Die Anzahl der notwendigen CBAM-Zertifikate ergibt sich aus der Berechnung der grauen Emissionen, die in der CBAM-Erklärung festgehalten werden. Diese muss jährlich bis zum 31. Mai des Folgejahres über das CBAM-Register der EU-Kommission abgegeben werden und unterscheidet sich vom bis einschließlich zum 31. Dezember 2025 einzureichenden CBAM-Bericht. Die CBAM-Erklärung unterliegt einer Prüfung durch eine akkreditierte Prüfstelle. Folgende Angaben müssen in der jährlichen CBAM-Erklärung gemacht werden:

  • Gesamtmenge und Art von Waren, die im vorangegangenen Kalenderjahr eingeführt wurden, gemessen in Megawattstunden für Strom und in Tonnen für andere Waren
  • In den Gütern enthaltene Gesamtemissionen, gemessen in Tonnen CO2-Emissionen pro Megawattstunde für Strom bzw. für andere Güter in Tonnen CO2-Emissionen pro Tonne jeder Güterart
  • Gesamtzahl der abzugebenden CBAM-Zertifikate, die den gesamten grauen Emissionen entspricht, wobei der Kohlenstoffpreis des Herkunftslands in Abzug gebracht werden kann
  • Prüfungsbericht der CBAM-Erklärung, welcher durch einen gem. Artikel 18 der CBAM-Verordnung akkreditierten Prüfer bzw. Prüfstelle zu erstellen ist


Voraussichtlich wird der CBAM-Zertifikate-Handel an zugelassene CBAM-Anmelder über eine zentrale Plattform erfolgen, die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der EU-Kommission eingerichtet wird. Kostenlose ETS-Zertifikate wird es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geben.

Verstöße gegen die CBAM-Verordnung:

Sowohl während der Übergangszeit zwischen dem 1. Oktober 2023 und dem 31. Dezember 2025 als auch für den Zeitraum der vollständigen Implementierung der CBAM-Verordnung ab dem 1. Januar 2026 sieht die CBAM-Verordnung Sanktionen vor:

  • Während der Übergangszeit wird es die Möglichkeit eines Berichtigungsverfahren geben, welches ohne Sanktionen ausgestaltet ist. Sollte diese Möglichkeit nicht wahrgenommen werden, obliegt die Sanktion dem Mitgliedsstaat.
  • Nach vollständiger Implementierung sind Geldstrafen für Zuwiderhandlungen vorgesehen, deren Höhe sich nach der Anzahl nicht abgegebener CBAM-Zertifikate richtet und, in Abhängigkeit vom Einzelfall, zwischen dem drei- und dem fünffachen des Wertes eines CBAM-Zertifikats liegt.
  • In besonders schweren Fällen sieht die CBAM-Verordnung auch den Verlust des Status als CBAM-Anmelder vor, was zu einer erheblichen Herausforderung für sanktionierte Unternehmen führen dürfte, da in diesem Fall keine von der CBAM-Verordnung betroffenen Produkte mehr aus Nicht-EU-Staaten eingeführt werden könnten.
     

Fazit

Die CBAM-Verordnung sieht Änderungen beim Bezug von CO2-intensiven Produkten aus Nicht-EU-Staaten vor, die eine genaue Analyse des Produktportfolios und der Supply Chain erfordert und zu umfangreichen Berichtspflichten führt. Unternehmen sollten im Rahmen einer Betroffenheitsanalyse die CBAM-Betroffenheit erarbeiten. Daneben sind die viertjährlichen CBAM-Berichte an die EU-Kommission für das vierte Quartal 2023 bereits im Januar 2024 zu übermitteln. Perspektivisch sollten betroffene Unternehmen die Registrierung als CBAM-Anmelder ab dem 1. Januar 2025 angehen, da diese ab dem 1. Januar 2026 Voraussetzung für den Erwerb der erforderlichen CBAM-Zertifikate ist.

Die Auswirkungen der CBAM-Verordnung erfordern erhöhte Aufmerksamkeit und Planungsmaßnahmen, da der Verstoß gegen Berichtspflichten bzw. das Versäumnis des Erwerbs von notwendigen CBAM-Zertifikaten zu empfindlichen Geldstrafen und weitgehenden Sanktionen führen kann.

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Sven Hahn

Partner, Steuerberater

Frankfurt am Main

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