BFH zum sog. Einstiegstest bei Handelsunternehmen
Bei Handelsunternehmen, deren begünstigungsfähiges Vermögen aus Finanzmitteln i. S. des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG besteht, ist die Regelung des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG dahingehend auszulegen, dass von den Finanzmitteln die betrieblichen Schulden abzuziehen sind, wenn das Vermögen seinem Hauptzweck nach einer originär gewerblichen Tätigkeit dient. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 13.09.2023 (II R 49/21) entschieden und damit das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 24.11.2021 (3 K 2174/19 Erb) im Ergebnis bestätigt.
Darum ging es im Streitfall
Der Vater der Klägerin schenkte dieser im Jahr 2017 alle Anteile an einer GmbH, die ein pharmazeutisches Handelsunternehmen betrieb. Das Finanzamt versagte wegen des sog. Einstiegstests (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG) die schenkungsteuerlichen Begünstigungen gemäß § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG.
Der hiergegen erhobenen Klage gab das FG Münster statt. Zwar sei im Streitfall nach dem Gesetzeswortlaut die begehrte Begünstigung für Betriebsvermögen vollständig ausgeschlossen, denn das Verwaltungsvermögen zzgl. der Finanzmittel betrage mehr als 90 % des gemeinen Wertes der übertragenen GmbH-Anteile. Die Vorschrift sei aber ihrem Normzweck entsprechend dahingehend einschränkend auszulegen, dass dieser Einstiegstest dann nicht zur Anwendung komme, wenn die Kapitalgesellschaft, deren Anteile übertragen würden, ihrem Hauptzweck nach einer gewerblichen Tätigkeit nachgehe.
Einstiegstest als Missbrauchsvermeidungstatbestand
Dabei stützte sich das Finanzgericht insbesondere darauf, dass es sich bei dem Einstiegstest nach seinem Sinn und Zweck um einen speziellen Missbrauchsvermeidungstatbestand handele. Anteile, die nahezu ausschließlich aus Verwaltungsvermögen bestehen, sollen von der Verschonung ausgenommen sein. Bei einer im Hauptzweck ausgeübten gewerblichen Tätigkeit bestehe aber keine Missbrauchsgefahr. Eine derartige teleologische Reduktion sei schließlich auch durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes geboten.
BFH folgt der Argumentation des FG
Dieser Argumentation ist der Bundesfinanzhof weitgehend gefolgt. Er ist zu dem Auslegungsergebnis gekommen, dass der Einstiegstest zumindest bei typischen Handelsunternehmen, deren Hauptzweck einer gewerblichen Tätigkeit dient, und deren begünstigungsfähiges Vermögen aus Finanzmitteln i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG besteht, gleichwohl durchzuführen ist, aber in modifizierter Form unter vom Gesetzeswortlaut nicht vorgesehenem Abzug der betrieblich veranlassten Schulden. Ohne die Möglichkeit des Schuldenabzugs wäre die Regelung willkürlich und verstieße damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG, denn es wäre vom Zufall abhängig, ob Schulden am Stichtag noch bestehen oder bereits getilgt wurden. Diese modifizierte Auslegung hat im Streitfall zum selben Ergebnis geführt, nämlich der Gewährung der Begünstigungen nach § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG.
Hinweis: Die Unternehmensnachfolge ist grundsätzlich ein komplexes Thema. Genau deshalb sollte die Planung von Übertragungen frühzeitig angegangen werden, um erbschaft- und schenkungsteuerliche Probleme und andere Risiken zu verringern. Gerne beraten wir Sie!
Ansprechpartner
Haben Sie Fragen oder benötigen Sie Unterstützung?
Wenden Sie sich gerne an Ihren lokalen Ansprechpartner oder nehmen Sie Kontakt mit uns auf. Unsere Kolleginnen und Kollegen helfen Ihnen bei allen auftretenden Fragen weiter.