BFH hält Aussetzungszinsen von 0,5% pro Monat für möglicherweise verfassungswidrig

In einem aktuellen Beschluss hat der BFH den gesetzlichen Zinssatz von 6 % p. a. für sogenannte Aussetzungszinsen als verfassungswidrig erachtet und das BVerfG daher zur Entscheidung angerufen.

Im Steuerrecht entfalten Einspruch und Klage grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, sodass die festgesetzte Steuer zunächst zu entrichten ist. Die aufschiebende Wirkung kann jedoch auf Antrag bei ernsthaften Zweifeln durch das Finanzamt oder Finanzgericht durch die Aussetzung der Vollziehung (AdV) angeordnet werden. Dies impliziert, dass die Steuer vorerst nicht entrichtet werden muss. Im Falle der Abweisung des Rechtsmittels sind für den ausgesetzten Betrag Aussetzungszinsen in Höhe von 0,5 % pro Monat bzw. 6 % pro Jahr zu entrichten (§ 237 i. V. m. § 238 Abs. 1 S. 1 AO).

Entscheidung des BverfG zu Vollverzinsung

In seinem Beschluss vom 08.07.2021 (1 BvR 2237/14) hat das BVerfG die ursprünglich geltenden Zinssätze von 6 % pro Jahr für die Verzinsung von Steuernachzahlungen und Steuererstattungen (sog. Vollverzinsung) für verfassungswidrig erklärt. Eine Erstreckung dieses Beschlusses auf die Aussetzungszinsen und andere Teilverzinsungstatbestände erfolgte jedoch nicht.

In der Folge senkte der Gesetzgeber mit Wirkung zum 01.01.2019 den Zinssatz für die Vollverzinsung auf 1,8 % pro Jahr. In der Konsequenz besteht zwischen der Verzinsung von Nachforderungen und Erstattungen gemäß § 233a AO und der Verzinsung bei Aussetzung der Vollziehung (AdV), welche gemäß § 237 AO weiterhin 6 % p. a. beträgt, ein erheblicher Unterschied, dessen Verfassungswidrigkeit diskutiert wird.

Vorlage des BFH

Mit Beschluss vom 08.05.2024 (VIII R 9/23) legte der BFH dem BVerfG die Frage vor, ob der Zinssatz von 0,5 % pro Monat für Aussetzungszinsen im Zeitraum vom 01.01.2019 bis 15.04.2021 verfassungsgemäß sei.

Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die Höhe der Zinsen gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, insbesondere in einer Niedrigzinsphase. Er kritisiert die ungleiche Behandlung von Steuerpflichtigen, die AdV-Zinsen zahlen müssen, im Vergleich zu Nachzahlungszinsen und sieht hierfür keine Rechtfertigung.

Eine Ungleichbehandlung könne insbesondere auch nicht mit dem Argument begründet werden, Steuerpflichtige hätten hinsichtlich AdV-Zinsen eine Wahl und könnten diesen ausweichen, indem sie keinen AdV-Antrag stellen. Nach Ansicht des BFH sei die Möglichkeit zur AdV durch Art. 19 Abs. 4 GG geschützt, sodass Steuerpflichtige von der AdV nicht ohne Weiteres abgehalten werden dürfen.

Hinweis: Der Beschluss des BFH ist von großer praktischer Bedeutung. Er schafft Klarheit über die Verfassungsmäßigkeit der Aussetzungszinsen, deren bisherige Behandlung nicht höchstgerichtlich entschieden war. Gerne beraten wir Sie! 

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