BFH äußert sich zur entgeltlichen Ablösung eines Vorbehaltsnießbrauchs
Die Beteiligten sind uneinig über die steuerliche Behandlung der Ablösung eines Vorbehaltsnießbrauchs an GmbH-Anteilen bei der Nießbrauchsberechtigten.
Darum ging es
Die Klägerin übertrug im Jahr 2012 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge Geschäftsanteile an einer GmbH unentgeltlich auf ihren Sohn. Dabei behielt sie sich ein Nießbrauchsrecht an den Geschäftsanteilen vor, das unter anderem das Recht auf Gewinnbeteiligung umfasste.
Im Jahr 2018 verkaufte der Sohn diese Anteile an Mitgesellschafter. Gleichzeitig vereinbarte er mit der Klägerin den Verzicht auf den Nießbrauch gegen Zahlung einer Ablöse. Diese Zahlung wurde von den Käufern direkt an die Klägerin geleistet.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 2018 vertrat die Klägerin die Auffassung, dass es sich bei dem Verzicht auf das Nießbrauchsrecht um eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung handele. Das Finanzamt wertete den Vorgang hingegen als Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen nach § 17 EStG und erließ einen entsprechenden Steuerbescheid.
Das Finanzgericht Nürnberg wies die Klage der Klägerin insoweit ab, als sie geltend machte, die Zahlung stelle eine nicht steuerbare Umschichtung im Privatvermögen dar. Das Gericht stellte jedoch fest, dass der Sohn mit der Übertragung der Anteile im Jahr 2012 auch deren wirtschaftlicher Eigentümer geworden war. Die Zahlung für die Ablösung eines im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich bestellten Vorbehaltsnießbrauchs am Gewinnbezugsrecht aus GmbH-Geschäftsanteilen hat das Gericht somit als Entschädigung für entgehende Einnahmen angesehen. Die Klägerin müsse die Einkünfte demnach nach § 24 Nr. 1a i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG besteuern.
Entscheidung des BFH
Der BFH hielt die Revision der Klägerin für begründet und gab der Klage mit Urteil vom 20.09.2024 (IX R 5/24) statt. Das Finanzgericht sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Ablösebetrag von der Klägerin als Einnahme aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zu versteuern sei.
Nach Auffassung des BFH führe die Zahlung zur Ablösung des Nießbrauchs weder zu Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 a EStG noch zu einem steuerbaren Tatbestand nach § 17 EStG. Ebenso sei der Ablösebetrag nicht als Einkünfte aus einer früheren Tätigkeit nach § 17 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG zu besteuern. Entscheidend für dieses Ergebnis ist nach Auffassung des BFH, ob das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Anteilen auf den neuen zivilrechtlichen Eigentümer übergegangen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH geht das wirtschaftliche Eigentum an einem Anteil an einer Kapitalgesellschaft auf den Erwerber über, wenn dieser durch ein zivilrechtliches Rechtsgeschäft eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erlangt hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann und mit der die wesentlichen Rechte aus dem Anteil, insbesondere das Gewinnbezugsrecht und das Stimmrecht, sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergehen. Voraussetzung ist ferner, dass der Nießbrauchsberechtigte eine Stellung innehat, die ihm einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ermöglicht und ihn insoweit einem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichstellt.
Ob das wirtschaftliche Eigentum an GmbH-Geschäftsanteilen dem Nießbrauchsberechtigten zuzurechnen ist, bleibt jedoch eine Tatfrage des Einzelfalls. Die Feststellung des wirtschaftlichen Eigentums ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung durch das FG und damit für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich bindend. Im Urteilsfall, in dem nach den Feststellungen des Finanzgerichts der Vorbehaltsnießbraucher das wirtschaftliche Eigentum bereits mit der Übertragung der Anteile und der Bestellung des Nießbrauchs verloren habe, stelle die Ablösung des Nießbrauchs einen nicht steuerbaren Vorgang dar.
Unzutreffend sei auch die Auffassung des Finanzgerichts, der Klägerin seien die Dividenden aus der Beteiligung nach § 20 Abs. 5 S. 3 EStG steuerlich zuzurechnen, obwohl sie das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen der GmbH bereits mit der zivilrechtlichen Übertragung der Anteile im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge verloren habe. Das Gewinnbezugsrecht sei untrennbar mit dem Gesellschaftsanteil verbunden, da es unmittelbarer Ausfluss des Gesellschaftsanteils ist und nicht von diesem getrennt werden kann.
Die entgeltliche Ablösung des Nießbrauchs sei auch nicht nach § 24 Nr. 1 a EStG steuerbar. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts habe die Klägerin mit der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums zugleich das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen verloren. Es fehle daher an einem Veranlassungszusammenhang zwischen der Ablösezahlung und der Aufgabe der Anteile an der GmbH. Aufgrund des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums wären die entsprechenden Einkünfte dem Sohn und nicht der Klägerin zuzurechnen. Die erhaltene Ablösezahlung sei daher als nicht steuerbare Umschichtung im Privatvermögen der Klägerin anzusehen.
Es lägen auch keine Einkünfte aus einer früheren steuerpflichtigen Tätigkeit gem. § 24 Nr. 2 EStG vor. Da die Übertragung der Anteile im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge im Jahr 2012 unentgeltlich erfolgte, fehle es bereits an der Verwirklichung eines Einkünftetatbestands im Sinne des § 17 EStG. § 24 EStG setze das Vorliegen eines bereits verwirklichten Einkünftetatbestands voraus und diene, wie oben ausgeführt, nicht der Erweiterung der Einkünfte, sondern lediglich der Klarstellung des Anwendungsbereichs innerhalb der Einkunftsarten.
Hinweis: Die Entscheidung hat über den Einzelfall hinaus Bedeutung für offene Fälle. Erfolgen die Bestellung des Nießbrauchs und die spätere Ablösung nicht in einem einheitlichen Vorgang, könnten Wertsteigerungen von GmbH-Anteilen im Wege der gleitenden Vermögensnachfolge durch Nießbrauch an einem GmbH-Anteil steuerfrei entzogen werden. Unklar ist auch, ob bei einheitlicher Entscheidung und Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung die Ablösung steuerfrei bleibt. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber hierauf mit einer rechtsprechungsbrechenden Regelung reagieren wird.
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