Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise – Grundsätze für die Korrektur von Einkünften gemäß § 1 AStG

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 14.07.2021 ein neues BMF-Schreiben „Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise“ (VwGr-VP) veröffentlicht. Es folgt damit dem Trend der internationalen Kooperation der Finanzverwaltungen, indem die VwGr-VP einen starken Bezug auf die „OECD Transfer Pricing Guidelines 2017“ (OECD-TP) nehmen und direkt auf die OECD-TP als „Anlage“ verweisen.

Das neue BMF-Schreiben ist auf alle offenen Verrechnungspreisfälle anzuwenden. Es enthält wichtige praxisnahe Hinweise, die im Folgenden dargestellt werden, auch um auf eventuelle Diskussionen, u.a. im Rahmen einer Betriebsprüfung, vorbereitet zu sein.

So wird z. B. der Begriff der „nahestehenden Person“ weit ausgelegt. Bestehen Verflechtungen („Netzwerke“) mit einheitlichen Regelwerken bzw. einem gemeinsamen Ziel, wird bereits eine „nahestehende Person“ angenommen. Was unter einem „gemeinsamen Ziel“ zu verstehen ist, lässt das BMF-Schreiben „VwGr-VP“ allerdings unbeantwortet.

Das BMF-Schreiben verdeutlicht Anforderungen an Vertragsabschlüsse. Der maßgebende Zeitpunkt für den Fremdvergleich ist nicht der Erfüllungszeitpunkt der Leistung, sondern der des Vertragsabschlusses. Dabei ist der Grundsatz des „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ zu beachten, d. h. die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit für beide Vertragsparteien. Von den Vertragspartnern wird demzufolge erwartet, im Interesse der eigenen Gesellschaft zu handeln und nicht im Konzerninteresse.

Verrechnungspreisrelevante Leitlinien

In den VwGr-VP aufgenommene „Leitlinien“ sollen für die Bestimmung von Verrechnungspreisen Orientierung bieten. Dabei ist der „Funktions- und Risikoanalyse“ eine zentralere Rolle zugeordnet, die auf (Personal-)Funktionen und der Beachtung von finanziellen Mitteln zur Übernahme der Risiko-Kontrolle beruht. Kontrolle bedeutet, Entscheidungen zu treffen, Risiken einzugehen und Entscheidungsfunktionen auch wirklich auszuüben. Voraussetzung hierfür sind geeignete Erfahrungen, eine ausreichende Informationsbasis und die entsprechende Entscheidungskompetenz des Unternehmens.

Laut der „Leitlinien“ soll nicht nur eine „bevorzugte“ Verrechnungspreismethode Anwendung finden. Vielmehr soll auch eine Kombination von Verrechnungspreismethoden möglich sein. Darüber hinaus wird ausdrücklich eine „Mehrjahresanalyse“ für die Bestimmung der Fremdvergleichsüblichkeit zugelassen. Durchschnittswerte von Vergleichswerten mehrerer Vorjahre können verwendet werden, wenn diese zu einer besseren Qualität der Angemessenheitsanalyse führen.

Erfreulich ist die Aufnahme des „Vorteilausgleichs“. Es soll für aufeinanderfolgende Wirtschaftsjahre möglich sein, gegenläufige steuerlichen Auswirkungen auszugleichen und steuerliche Vorteile durch steuerliche Nachteile zu kompensieren. Ein Vorteilsausgleich ohne Einkünfteberichtigung ist aber nur möglich, wenn bis spätestens zum Ende des Wirtschaftsjahres bestimmt ist, wann und durch welche Vorteile die Nachteile ausgeglichen werden.

Behandlung von Verlusten bei Routinefunktionen

Bei Routinefunktionen soll im Verlustfall innerhalb eines überschaubaren Zeitraums von fünf Jahren ein angemessener (Total-)Gewinn erzielt werden. Dabei sind die Verlustursachen (bspw. lokales Missmanagement oder Markteroberung im Konzerninteresse) festzustellen und frühzeitig zu dokumentieren.

Verfügt ein Unternehmen weder über maßgebliche Entscheidungskompetenzen, Risiken einzugehen oder zu vermindern, noch über die finanzielle Kapazität, solche Risiken übernehmen zu können, wird eine steuerliche Zuweisung von Risiken zu diesem Unternehmen mit den daraus resultierenden Aufwendungen als fremdunüblich betrachtet.

Die VwGr-VP nennt im Verlustfall aber auch unternehmerische Freiheiten, wenn der unwirtschaftliche Geschäftsbetrieb im Verlustunternehmen von den davon profitierenden Unternehmen vergütet wird.

Nachweis des wirtschaftlichen Vorteils bei Lizenzzahlungen

In den VwGr-VP wird festgelegt, dass die Zurverfügungstellung eines Intellectual Property (IP) nur dann eine Lizenzzahlung rechtfertigt, wenn der Lizenznehmer einen wirtschaftlichen Vorteil aus dem IP erwarten und nachweisen kann.

Die Lizenzverrechnung für Namensrechte entspricht nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz, wenn die Nutzungsüberlassung im Zusammenhang mit Lieferungen/Leistungen steht, bei denen unter Fremden die Überlassung des IP im Preis der Lieferung/Leistung mit abgegolten sein würde (z. B. bei Vertriebsaktivitäten). Beim Vertrieb von Markenerzeugnissen ist die Benutzung von Marken und Unternehmensnamen regelmäßig nicht separat zu vergüten, da der wirtschaftliche Vorteil hieraus bereits im Abgabepreis für diese Erzeugnisse berücksichtigt wurde.

Vergütung von Dienstleistungen

Ein einheitlich im Konzern umgesetzter 5 %-Gewinnaufschlag wird nun bei Routine-Dienstleistungen als fremdüblich konkretisiert. Bei der Frage der Vergütung von „Dienstleistungen auf Abruf“ ist zu prüfen, ob ein unabhängiger Dritter für die Möglichkeit einer Verfügbarkeit im Bedarfsfall ein Entgelt bezahlen würde (Optionswert) und sich auch ein Nutzen aus der Dienstleistung und deren Bereitstellung erkennen lässt (Benefit-Test).

Höhere Anforderungen an Finanzierungen

Für die Fremdvergleichsüblichkeit von Finanzierungen soll eine Funktions- und Risikoanalyse prüfen, ob es sich steuerrechtlich überhaupt um Fremdkapital handelt und ob die Finanzierung auch wirtschaftlich vom Empfänger benötigt wird. Hierfür hat auch eine begründete Aussicht auf eine Rendite, die die Finanzierungskosten deckt, zu bestehen. Zudem muss das Fremdkapital dem Unternehmenszweck dienen.

Dokumentationspflichten

Die neuen Verwaltungsgrundsätze 2020 enthalten schließlich höhere Anforderung an die Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten bei grenzüberschreitenden Liefer- und/oder Leistungsbeziehungen für multinationale Unternehmen in Deutschland.

Regelmäßig sind Verrechnungspreise Prüfungsschwerpunkte in Betriebsprüfungen. Die Finanzverwaltung erkennt zunehmend, dass sie weitaus höheres Besteuerungssubstrat aufgrund der zunehmenden Komplexität der steuerlichen Mitwirkungspflichten bei grenzüberschreitenden Fällen generieren kann.

Die Aufzeichnungspflichten liegen allein beim Steuerpflichtigen und sollen der Finanzverwaltung bei der Sachverhaltsaufklärung ein tieferes Sachverhaltsverständnis und die Prüfung von erforderlichen Beweismitteln ermöglichen. Hier liegt jedoch häufig das Problem: Steuerpflichtige beriefen sich aus Sicht der Steuerbehörden zu oft darauf, die notwendigen Unterlagen und Beweismittel nicht oder nur unzureichend aus dem Ausland beschaffen zu können.

Mit den neuen Verwaltungsgrundsätzen 2020 wird der Steuerpflichtige nun stärker in die Pflicht genommen, alle bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die notwendigen Beweismittel zu beschaffen und die Anforderungen an die Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten zu erfüllen. Dabei kann sich der Steuerpflichtige grundsätzlich nicht mehr darauf berufen, dass die Sachverhalte nicht aufgeklärt werden können oder die notwendigen Beweismittel (in der Regel von verbundenen Auslandsgesellschaften) nicht beschafft werden können.

Auf Basis der neuen Verwaltungsgrundsätze 2020 verlangt die Finanzverwaltung nämlich für alle noch offenen Veranlagungszeiträume des Steuerpflichtigen, dass die im Unternehmen verantwortlichen Personen (z. B. CFO, Geschäftsführung, Steuerleiter, etc.) bereits im Vorfeld einer entsprechenden Geschäftsbeziehung alles getan haben, um die Möglichkeiten der Beweismittelbeschaffung zu erfüllen (Beweisvorsorge).

Verstößt der Steuerpflichtige gegen seine Aufzeichnungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO, wird widerlegbar vermutet, dass die Einkünfte aus gruppeninternen Liefer- und Leistungsbeziehungen durch eine nicht fremdübliche Gestaltung gemindert worden sind (§ 162 Abs. 3 Satz 1 AO). Es kann zu Schätzungen der Verrechnungspreise mit Strafzuschlägen und zur Doppelbesteuerung kommen. So sprechen die neuen Verwaltungsgrundsätze 2020 explizit davon, dass der [Zitat:] „Beweisverderber aus seinem Verhalten einer unzureichenden Beweismittelnennung keinen Vorteil ziehen soll“.

Es ist somit für Steuerpflichtige mit gruppeninternen Geschäftsbeziehungen dringend zu empfehlen, ihre Verrechnungspreise bereits vor einer zukünftigen Betriebsprüfung auch auf die oben genannten Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten hin zu analysieren, um die potenzielle Anwendung von Schätzungen und Strafzuschlägen durch die Steuerbehörden zu vermeiden.