Ableitung des Werts einer Kapitalgesellschaft aus Verkäufen zwischen fremden Dritten

Nach einer Entscheidung des BFH ist der Wert nicht börsennotierter Kapitalgesellschaftsanteile nicht auf den Substanzwert begrenzt, wenn ein niedrigerer gemeiner Wert aus Verkäufen innerhalb des letzten Jahres unter fremden Dritten abgeleitet werden kann.

Dabei können nach dem BFH-Urteil vom 25.09.2024 (II R 15/21) zur Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen zwischen fremden Dritten solche Verkäufe nicht herangezogen werden, bei denen über Jahre hinweg regelmäßig derselbe Preis zugrunde gelegt wird. 

Gesetzliche Grundlage

Anteile an Kapitalgesellschaften sind nach § 12 Abs. 2 ErbStG mit dem Wert anzusetzen, der sich am Bewertungsstichtag ergibt. Dieser Wert wird nach § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BewG gesondert festgestellt.

Für nicht börsennotierte Anteile, die am Stichtag nicht im regulierten Markt gehandelt werden, ist nach § 11 Abs. 2 BewG der gemeine Wert maßgebend. Lässt sich dieser nicht aus Verkäufen zwischen fremden Dritten innerhalb des letzten Jahres ableiten, erfolgt die Bewertung anhand der Ertragsaussichten der Gesellschaft oder einer anerkannten, auch im Geschäftsverkehr üblichen Methode. Dabei ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber zur Ermittlung des Kaufpreises heranziehen würde.

Darüber hinaus darf der ermittelte Verkehrswert den Substanzwert der Gesellschaft, der sich aus der Summe der Verkehrswerte der Vermögensgegenstände abzüglich der Schulden ergibt, nicht unterschreiten.

Darum ging es

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zu 1. ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und eine Familienholding, die u.a. Beteiligungen an anderen Gesellschaften hielt. Die Kläger und Revisionskläger zu 2. und 3. (Kläger zu 2. und 3.) sind Erben ihrer am 11.11.2014 verstorbenen Mutter (M). M hielt ca. 9,95 % der Geschäftsanteile an der Klägerin zu 1.

Seit dem Jahr 2009 erfolgten mehrere Einziehungen von Teilgeschäftsanteilen der Klägerin zu 1. zu 400 % des Nennkapitals. Außerdem gab es einen Anteilsverkauf zwischen Gesellschaftern zu 400 % des Nennkapitals. Im Februar 2015 wurden zwei Teilgeschäftsanteile der Klägerin zu 1. eingezogen und das Nennkapital jeweils verdoppelt. Im Jahr 2018 verkauften die Gesellschafter einen weiteren Geschäftsanteil an der Klägerin zu 1. zu einem Kurs von 380 % des Nennkapitals.

Mit Feststellungsbescheid vom 16.11.2015 stellte das beklagte Finanzamt den Wert der Anteile an der Klägerin zu 1. erklärungsgemäß mit dem Vierfachen des Nennwerts fest. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung wurde die Wertfeststellung geändert und mit Bescheid vom 17.10.2019 der Substanzwert als neuer Wert festgestellt.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Wert nach § 11 Abs. 2 S. 3 BewG zutreffend auf der Grundlage des Substanzwerts ermittelt worden sei. Ob der Einziehungspreis von 400 % des Nennkapitals einen Verkauf unter fremden Dritten im Sinne des § 11 Abs. 2 S. 2 BewG darstelle, könne dahinstehen, da der Substanzwert stets als Mindestwert anzusetzen sei.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung des § 11 Abs. 2 S. 1 BewG. Der gemeine Wert sei nicht als Mindestwert anzusehen, wenn er sich aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten lasse. Der Einziehungserlös von 400 % sei ein relevanter Verkauf, auch wenn er nicht individuell ausgehandelt worden sei. Zudem sei die Vereinbarung des Einziehungsentgelts vor dem Bewertungsstichtag erfolgt, weshalb es nach der Rechtsprechung des BFH zu berücksichtigen sei. Verkäufe zwischen Gesellschaftern seien als Verkäufe zwischen fremden Dritten anzusehen.

Entscheidung des BFH

Der BFH wies die Revision zurück, da eine Ableitung des gemeinen Werts der Anteile an der Klägerin zu 1. nach § 11 Abs. 2 S. 2 BewG aus zeitnahen Verkäufen unter Heranziehung eines Einziehungspreises von 400 % des Nennwerts nicht in Betracht komme.

Das Finanzgericht habe die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Zwar sei das Finanzgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass der gemeine Wert nach § 11 Abs. 2 S. 3 BewG als Untergrenze auch für einen nach § 11 Abs. 2 S. 2 BewG aus zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten abgeleiteten Wert gelte. Dies ergebe sich aus dem Zweck der Norm, den gemeinen Wert von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu ermitteln (teleologische Auslegung), und aus der inneren Systematik (systematische Auslegung). Lasse sich der gemeine Wert aus zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten ableiten und sei damit der verfassungsrechtlich gebotene Bewertungszweck des § 11 Abs. 2 S. 1 BewG erreicht, sei kein Grund ersichtlich, den durch Ableitung aus zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten gefundenen gemeinen Wert durch einen anderen, insbesondere höheren Substanzwert nach § 11 Abs. 2 S. 1 BewG zu ersetzen.

Das Urteil des Finanzgerichts erweise sich jedoch aus anderen Gründen als zutreffend. 

Eine Ableitung des gemeinen Werts der Anteile an der Klägerin zu 1. nach § 11 Abs. 2 S. 2 BewG aus zeitnahen Verkäufen unter Zugrundelegung eines Einziehungspreises von 400 % des Nennwerts komme nicht in Betracht. Bei der Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen unter fremden Dritten nach § 11 Abs. 2 S. 2 BewG könne nämlich nicht auf solche Verkäufe abgestellt werden, bei denen über Jahre hinweg regelmäßig derselbe Preis zugrunde gelegt worden sei. Eine solche Vorgehensweise belege, dass die Beteiligten den Preis gerade nicht unter den Bedingungen des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage unter Heranziehung objektiver Wertmaßstäbe, zu denen vor allem das Gesamtvermögen und die Ertragsaussichten gehören, gebildet haben.

Lasse sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen zwischen fremden Dritten ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, sei er nach § 11 Abs. 2 S. 2 BewG unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder nach einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln. Ob der Substanzwert nach § 11 Abs. 2 S. 3 BewG eine andere im Geschäftsverkehr anerkannte Methode im Sinne des § 11 Abs. 2 S. 2 BewG sei, könne offenbleiben. Jedenfalls dürfe ein nach § 11 Abs. 2 S. 2 BewG ermittelter Wert den Substanzwert nach § 11 Abs. 2 S. 3 BewG nicht unterschreiten. Der Ansatz eines höheren als des festgestellten Werts der Anteile an der Klägerin zu 1. ist jedoch wegen des im gerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbots nicht möglich.

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