Welche Vorschrift für Verspätungszuschläge?
Mit Urteil vom 15.12.2023 (3 K 88/22) hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts darüber entschieden, nach welcher Vorschrift Verspätungszuschläge festgesetzt werden können, wenn die – mithilfe eines Steuerberaters – erstellten Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2018 und 2019 nach Ablauf der Abgabefristen des § 149 Abs. 3 AO abgegeben wurden, wobei zu berücksichtigen war, dass für die Streitjahre aufgrund der Corona-Pandemie die Abgabefristen (teilweise) modifiziert worden sind.
Darum ging es im Streitfall
Die Kläger hatten ihre Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2018 und 2019 unstreitig nach Ablauf der Abgabefristen eingereicht. Problematisch war hier, dass aufgrund der Corona-Pandemie für die Veranlagungszeiträume 2018 und 2019 Sonderregelungen bzw. -vereinbarungen im Hinblick auf die Abgabefristen des § 149 AO und den Umgang mit Fristverlängerungsanträgen bestanden. Für das Jahr 2018 haben nach Erörterungen auf Bund-Länder-Ebene von behördlicher Seite insoweit keine Bedenken bestanden, Fristverlängerungsanträgen von Angehörigen der steuerberatenden Berufe rückwirkend bis zum 31. Mai 2020 (Pfingstsonntag) zu entsprechen. Eine Verschuldensprüfung (im Sinne des § 152 Abs. 1 AO) durfte in diesen Fällen unterbleiben.
Für das Jahr 2019 hat der Gesetzgeber die Abgabefrist des § 149 Abs. 3 AO mit Art. 97 § 36 Abs. 1 EGAO dahingehend modifiziert, dass eine Abgabe bis zum 31. August 2021 als rechtzeitig gelten sollte.
Fristen um mehrere Monate verpasst
Die Kläger hatten in beiden Jahren auch diese Fristen um mehrere Monate verpasst. Das Finanzamt setzte daraufhin Verspätungszuschläge nach der zwingenden Norm des § 152 Abs. 2 AO fest. Ausdrückliche Anpassungen der gesetzlichen Regelungen für Verspätungszuschläge in § 152 AO waren durch den Gesetzgeber für die Streitjahre nicht getroffen worden (vgl. oben). Im vom Finanzgericht entschiedenen Fall war deshalb umstritten, ob Verspätungszuschläge nach der Ermessensnorm des § 152 Abs. 1 AO oder im Rahmen einer gebundenen Entscheidung nach § 152 Abs. 2 AO festzusetzen waren. Im Rahmen einer Ermessensentscheidung hätte das Finanzamt die auf eine Erkrankung des Klägers gestützten Entschuldigungsgründe berücksichtigen müssen.
Das Urteil des Finanzgerichts
Das Finanzgericht ist dem Finanzamt im Hinblick auf die Festsetzung der Verspätungszuschläge für den Veranlagungszeitraum 2018 gefolgt, die Festsetzung der Verspätungszuschläge für 2019 hat es hingegen aufgehoben.
Für das Jahr 2018 ist § 152 Abs. 3 Nr. 1 AO mangels Vorliegens einer behördlichen (oder gesetzlichen) Verlängerung der Abgabefrist nach Ansicht des Senats nicht einschlägig. Auch eine andere der Rückausnahmen des Abs. 3 greife nicht, Verspätungszuschläge seien daher zwingend nach § 152 Abs. 2 AO festzusetzen.
Betreffend des Jahres 2019 hat der 3. Senat seine Aufhebungsentscheidung darauf gestützt, dass die gesetzliche Abgabefristverlängerung im EGAO „erst recht“ dieselben Folgen wie eine behördliche, individuelle Fristverlängerung haben müsse – in beiden Fällen sei die Anwendung des § 152 Abs. 2 AO wegen § 152 Abs. 3 Nr. 1 AO gesperrt. Auch bei Überschreiten der gesetzlich verlängerten Abgabefrist sei die Anwendung des § 152 Abs. 2 AO weiterhin gesperrt und das Finanzamt könne Verspätungszuschläge „nur“ im Wege der Ermessensentscheidung nach § 152 Abs. 1 AO festsetzen – dies sei für die behördliche Fristverlängerung seit Langem ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur. Das Finanzgericht stützte seine Auffassung weiter damit, dass der Gesetzgeber sich offenbar veranlasst gesehen habe, für die Folgejahre ab 2020 (in denen die Abgabefristen ebenfalls pandemiebedingt gesetzlich verlängert wurden) ausdrücklich zu regeln, wie mit verspäteten Abgaben im Hinblick u. a. auf Verspätungszuschläge umzugehen sei, Art. 97 § 36 Abs. 3 EGAO.
Abschreibung. Der 3. Senat des Finanzgerichts hat sich mit seinem Urteil in Widerspruch zu Entscheidungen des FG Düsseldorf gesetzt (vgl. Gerichtsbescheid vom 07.03.2023 – 12 K 1588/22 AO, Urteil vom 24.08.2023 – 12 K 1698/22 AO). Jetzt ist die Revision ist beim BFH unter dem Az. VI R 2/24 anhängig und es bleibt abzuwarten, wie das Problem höchstrichterlich gelöst wird.
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