Wann dürfen Bewertungseinheiten gebildet werden?

Das Finanzgericht Düsseldorf hat sich im Urteil vom 07.09.2023 (7 K 634/18 F) mit einigen sehr streitigen Fragen im Zusammenhang mit der Bildung von Bewertungseinheiten nach § 5 Abs. 1a und Abs. 4a EStG auseinandergesetzt.

Die Klägerin ist im Energiehandel sowohl börslich als auch außerbörslich tätig. Dabei fasste sie im Streitjahr 2006 Termingeschäfte über den Erwerb oder Verkauf von Waren mit Sicherungsgeschäften in Bewertungseinheiten zusammen. Dies geschah teilweise durch sog. Micro-Hedges, bei denen einem Grundgeschäft ein konkret identifizierbares, positionsausgleichendes Sicherungsgeschäft gegenüberstand. Zum Teil bildete die Klägerin aber auch sog. Macro-Hedges. Dazu fasste sie Geschäfte mit vergleichbaren Risikostrukturen zu Mandaten zusammen, sodass die einem Mandat zugewiesenen Einzelgeschäfte eine Risikokompensation für andere in dem Mandat enthaltene Geschäfte bewirkten. Soweit die Ergebnisse der Bewertungseinheiten negativ waren, stellte die Klägerin diese steuermindernd in eine Rückstellung nach § 5 Abs. 4a S. 2 i. V. m. Abs. 1a EStG ein.

Streit mit dem Finanzamt um die Rückstellung

Das beklagte Finanzamt erkannte diese Rückstellung nicht an. Zur Begründung führte es aus, dass die von der Klägerin gebildeten Bewertungseinheiten primär reinen Arbitrage- und nicht Sicherungszwecken dienten und daher nicht unter die Vorschrift des § 5 Abs. 1a EStG fielen. Zudem würden nicht – wie es die Vorschrift erfordere – finanz-, sondern leistungswirtschaftliche Risiken abgesichert.

Die Klägerin war dagegen u. a. der Ansicht, dass die Bewertungseinheiten handelsrechtlich zulässig gebildet worden und damit steuerrechtlich maßgeblich seien. Der Begriff der finanzwirtschaftlichen Risiken sei weit auszulegen und umfasse auch die von der Klägerin getätigten Geschäfte. Hilfsweise seien von ihr geleistete Marginzahlungen auf einen Teilwert von 0 Euro abzuschreiben. Dabei handele es sich um Nachschusszahlungen (Variation Margins) beim Handel mit Futures an Terminbörsen. Diese dienten der börsentäglichen Anpassung des kontrahierten Preises an den aktuellen Marktpreis. Zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung sei der Marktwert der abgeschlossenen Geschäfte negativ gewesen, sodass von einer dauernden Wertminderung auszugehen sei.

Micro- und Macro-Hedges

Das FG Düsseldorf hat der Klage teilweise stattgegeben und dabei zwischen Micro- und Macro-Hedges unterschieden: Nur soweit die streitige Rückstellung auf Bewertungseinheiten auf Grundlage von Micro-Hedges beruhe, lägen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1a EStG vor. Das Gericht begründete dies mit der ungeklärten handelsrechtlichen Rechtslage im Streitjahr 2006. Mit § 254 HGB n. F. sei erst zum Jahr 2010 eine geschriebene Regelung für Bewertungseinheiten geschaffen worden. Bis dahin seien die Voraussetzungen zur Bildung von Bewertungseinheiten ungeklärt gewesen. Das Gericht ging davon aus, dass jedenfalls im Jahr 2006 die Bildung von Bewertungseinheiten erfordert habe, dass Forderungen und Verbindlichkeiten sich in identischen Werteinheiten betragsgleich und mit identischen Fälligkeitsterminen (taggleich) gegenüberständen. Das sei nur bei den Micro-Hedges der Fall gewesen.

Erfolg vor dem Finanzgericht Münster

Standard / Fließtext / Beide Klagen hatten vollumfänglich Erfolg. Das FG Münster hat in den Urteilen vom 14. Februar 2023 (1 K 3840/19 F und 1 K 3841/19 F) ausgeführt, dass den Steuerpflichtigen nach den Grundsätzen des o.g. BFH-Urteils ein Wahlrecht zustehe, sich mit den typisierten AfA-Sätzen zufriedenzugeben oder eine tatsächlich kürzere Nutzungsdauer geltend zu machen und darzulegen. Dabei sei keine Gewissheit über eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer erforderlich. Vielmehr könne allenfalls größtmögliche Wahrscheinlichkeit verlangt werden, sodass eine Schätzung des Steuerpflichtigen nur dann zu verwerfen sei, wenn sie eindeutig außerhalb des angemessenen Schätzungsrahmens liege. Dabei könne das Verfahren der Gebäudesachwertermittlung nach der ImmoWertVO Anwendung finden, auch wenn dieses eine modellhafte Berechnung darstelle, die nicht primär auf die Ermittlung der tatsächlichen Nutzungsdauer im Sinne von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG gerichtet sei.

Insoweit sei auch von der Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken auszugehen. Denn jedenfalls bei einem Geschäftsmodell wie demjenigen der Klägerin, die typischerweise ihre Geschäfte nicht durch physische Lieferung abschließe und über die gehandelten Waren gar nicht verfüge, sei auch der Finanzbereich der Klägerin betroffen. Eine konkrete Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für steuerliche Zwecke lehnte das Gericht ab.

Teilwertabschreibung kam nicht in Betracht

Eine Teilwertabschreibung auf die geleisteten Variation Margins komme nicht in Betracht. Es seien die verschiedenen Geschäftsvorfälle – nämlich einerseits die Verpflichtung aus dem zugrundeliegenden Geschäft (also dem Future) und andererseits die Variation Margins – voneinander zu trennen. Während es sich bei dem Future um ein abgeschlossenes Rechtsgeschäft handele, dessen Wertentwicklung negativ sein könne, handele es sich bei den Variation Margins um eine Sicherheitsleistung. Ursächlich für einen drohenden Verlust sei aber die Wertentwicklung des Futures. Dieser drohende Verlust sei nicht in der sich aus der Leistung der Variation Margin ergebenden Forderung begründet.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Sowohl die Klägerin als auch das Finanzamt haben die vom Gericht zugelassene Revision eingelegt (Az. beim BFH: XI R 32/23).

Hinweis: Nach § 5 Abs. 1a S. 2 EStG sind Ergebnisse der in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheiten (vgl. § 254 HGB) auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich. Leider gibt es hier einige steuerliche Stolperfallen. Gerne beraten wir Sie!

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