Neue Grundsteuer: Überblick über den aktuellen Stand

Mit der Umsetzung der im Jahr 2019 beschlossenen Grundsteuerreform wird die Bemessungsgrundlage für Grundstücke und damit auch die Festsetzung der Steuer ab dem Jahr 2025 umfassend geändert. Es wurden jedoch Zweifel an der verfassungskonformen Umsetzung der Reform, auch im Hinblick auf die verschiedenen Grundsteuermodelle, geäußert. Dies hat bereits zu Nachbesserungen beim Bundesmodell geführt.

Bereits im Jahr 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht die der Grundsteuer zugrunde liegende Bewertung nach veralteten Einheitswerten als verfassungswidrig eingestuft. Daraufhin wurde der Gesetzgeber aktiv und am 08.11.2019 fand das Gesetzgebungsverfahren zur Reform der Grundsteuer mit der Zustimmung des Bundesrats seinen Abschluss. Von der Reform der Grundsteuer sind knapp 36 Millionen bebaute und unbebaute Grundstücke sowie land- und forstwirtschaftliche Betriebe in Deutschland betroffen.

Überblick

Die neue Grundsteuerreform in Deutschland sorgt für weitreichende Veränderungen bei der Berechnung der Grundsteuer. Ziel der Reform war es, die bisherige Berechnungsgrundlage, die teils auf veralteten Werten basiert, gerechter und transparenter zu gestalten. Dabei spielen neue Faktoren, wie der aktuelle Bodenrichtwert, die Grundstücksgröße und die Gebäudenutzung eine zentrale Rolle.

Neben dem Bundesmodell, welches in neun Bundesländern (Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen) Anwendung findet, existieren aufgrund einer sogenannten Öffnungsklausel diverse landesspezifische Modelle. So haben sich das Saarland und Sachsen für ein modifiziertes Bundesmodell entschieden, während Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen eigene Modelle entwickelt haben.

In Baden-Württemberg wurde ein modifiziertes Bodenwertmodell entwickelt, bei dem nur die Bodenrichtwerte und nicht die konkrete Bebauung Berücksichtigung finden.

In Bayern wurde ein wertunabhängiges Flächenmodell eingeführt, bei dem die Lage des Grundstücks bei der Berechnung der Grundsteuer unberücksichtigt bleibt. Dieses Modell diente als Grundlage für Hamburg, Hessen und Niedersachsen, wo es jedoch dahingehend angepasst wurde, dass die Lage des Grundstücks durch zusätzliche Faktoren berücksichtigt wird. In Hamburg ist dies die Wohnlage, in Hessen und Niedersachsen ein Faktor, der sich am Bodenrichtwert orientiert.

Die Länderöffnungsklausel führt auch bei vergleichbaren Sachverhalten zu erheblichen Belastungsunterschieden zwischen den einzelnen Bundesländern. 

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Bundesmodells

Das Bewertungsmodell des Bundes stand von Anfang an in der Kritik und ist verfassungsrechtlich umstritten. Inzwischen sind bei einigen Finanzgerichten Klagen eingereicht worden, die die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuerbewertung zum 01.01.2022 nach dem Bundesmodell in Frage stellen. Initiiert durch den Bund der Steuerzahler werden einige Musterverfahren geführt. 

Dabei fallen die Entscheidungen der Finanzgerichte unterschiedlich aus. Das Finanzgericht Köln hatte keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das neue Bewertungsrecht. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat es jedoch auch die Möglichkeit der Revision beim BFH zugelassen. Auch das Finanzgericht Berlin-Brandenburg äußert keine Zweifel hinsichtlich des Bundesmodells.

Anders sieht es des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz. Der 4. Senat hat bereits am 23.11.2023 in zwei Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes entschieden, dass die Vollziehung der angefochtenen Grundsteuermessbescheide wegen ernstlicher Zweifel an deren Rechtmäßigkeit auszusetzen ist. Neben Bedenken gegen die neuen Bewertungsregelungen auf einfachgesetzlicher Ebene äußerte das Gericht auch grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelungen des Bundesmodells zur Grundsteuer. Das Finanzamt hat gegen die Entscheidungen Beschwerde eingelegt, so dass sich der BFH bereits zur Thematik äußern konnte. Er folgte der Auffassung des Finanzgerichts, was zu einer Nachbesserung am Bundesmodell sorgte.  

Erste Entscheidung des BFH zum Bundesmodell

Der BFH hat im Rahmen der Beschwerden gegen die Entscheidungen des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz ausführlich zu den Bedenken gegen die neue Grundsteuerwertfeststellung nach dem Bundesmodell Stellung genommen (II B 78/23 (AdV) und II B 79/23 (AdV)).

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat in seinen Entscheidungen vom 23.11.2023 erhebliche Zweifel geäußert, ob die neuen Bewertungsvorschriften der §§ 218 ff. BewG dem sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Gebot einer realitäts- und relationsgerechten Bewertung von Grundvermögen genügen. Der genaue Belastungsgrund der Grundsteuer sei unklar, so dass die Angemessenheit der Wertunterschiede schwer überprüfbar sei. Die zahlreichen Typisierungen und Pauschalierungen vernachlässigen individuelle Grundstücksmerkmale mit der Folge ungerechter Wertverzerrungen. Hochwertige Grundstücke würden systematisch unterbewertet, während Grundstücke in weniger begehrten Lagen überbewertet würden.

Der BFH hat die Entscheidungen des FG Rheinland-Pfalz bestätigt und ebenfalls Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Grundbesitzwertbescheide geäußert. Diese Zweifel ergeben sich daraus, dass den Steuerpflichtigen bei einem Verstoß gegen das Übermaßverbot der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts möglich sein muss. 

Das Bundesmodell knüpfe allein an Grundbesitz und abstrakte Leistungsfähigkeit an. Persönliche Verhältnisse des Steuerpflichtigen, Ausdruck seiner subjektiven Leistungsfähigkeit, würden nicht berücksichtigt. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist Belastungsgrund die durch das Grundstück gegebene Ertragsfähigkeit, die sich im Sollertrag niederschlägt und die objektive Leistungsfähigkeit vermittelt. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip und das Übermaßverbot können nur gewahrt werden, wenn sich das Gesetz am gemeinen Wert orientiert und den Sollertrag mittels einer am Verkehrswert orientierten Bemessungsgrundlage ermittelt. Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot liegt vor, wenn der festgestellte Wert erheblich den nachgewiesenen, niedrigeren gemeinen Wert übersteigt. Laut BFH sei dies der Fall, wenn der Wert das Normalmaß um 40 % oder mehr übersteige. Da das BewG eine abweichende Wertfeststellung nicht zulasse, bestünden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide. 

Da schon ernstliche Zweifel an der einfachgesetzlichen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Feststellungsbescheide vorlagen, hatte der BFH nicht mehr zu prüfen, ob die AdV auch wegen der vom FG im ersten Rechtsgang zusätzlich erhobenen verfassungsrechtlichen Zweifel an der Gültigkeit der den Bescheiden zugrunde liegenden Bewertungsregeln zu gewähren war.

Ländererlasse zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes

Die Finanzverwaltung hat mit Ländererlassen vom 24.06.2024 auf die BFH-Entscheidungen reagiert. Diese gelten in Bundesländern, die das Bundesmodell anwenden. Steuerpflichtige haben nun in offenen Fällen die Möglichkeit des Nachweises eines um mindestens 28,58 % niedrigeren gemeinen Werts. Dieser kann durch ein Gutachten eines Gutachterausschusses, eines öffentlich bestellten oder eines vereidigten Sachverständigen erfolgen. Auch ein innerhalb eines Jahres um den Hauptfeststellungszeitpunkt liegender Kaufpreis gilt als Nachweis. 

Bei Überschreitung der 40 %-Grenze kann auch eine Korrektur im Rahmen der Wertfortschreibung beantragt werden, sofern die Differenz mind. 15.000 € beträgt. Bei plausibler Darlegung der 40 %-Grenze werden Anträgen auf AdV stattgegeben.

Mit der Einführung der Öffnungsklausel ist ein wesentlicher Kritikpunkt hinsichtlich der Verfassungskonformität entfallen. Für den Steuerpflichtigen stellt sich die Frage, ob die Steuerersparnis die Kosten eines Gutachtens rechtfertigt, da er die Aufwendungen selbst zu tragen hat. Dies wird in den wenigsten Fällen gegeben sein. 

Verfahrensruhe bei Einsprüchen

Eigentümerinnen und Eigentümer, die bereits Einspruch gegen ihren Grundsteuermessbescheid eingelegt haben oder dies noch innerhalb der Rechtsbehelfsfrist tun wollen, können unter Angabe der Aktenzeichen des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg (Az.: 3 K 3142/23) und des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (Az.: 4 K 1205/23) ebenfalls das Ruhen des Verfahrens beantragen. Gibt das Finanzamt dem Antrag statt, wird das Einspruchsverfahren in der Regel bis zum Urteil in den genannten Klagen ausgesetzt. 

Entwicklungen bei den Ländermodellen

Auch bei den Ländermodellen wurde die Verfassungsmäßigkeit der Grundstücksbewertung von Anfang an infrage gestellt.

Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg wurden im Rahmen von zwei Musterverfahren zahlreiche verfassungsrechtliche Einwände vorgebracht, die sich vor allem gegen die Bemessung des Grundsteuerwertes richteten.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat die Klagen abgewiesen und die Revision zugelassen. Das Finanzgericht ist der Ansicht, dass der Landesgesetzgeber die Grundsteuer auf den Grund und Boden ohne Berücksichtigung der Gebäude erheben dürfe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stehe dem Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Daher sei es zulässig, wenn der Gesetzgeber die Grundsteuer nur auf den Grund und Boden eines Grundstücks erhebe.

Das baden-württembergische Ländermodell ermöglicht allerdings auch den Nachweis eines niedrigeren tatsächlichen Grundbesitzwertes. Der Steuerpflichtige kann den Nachweis durch ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses führen. Ein niedrigerer Wert kann von Sachverständigen oder Gutachtern für Grundstücksbewertung angesetzt werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass dieser Wert um mehr als 30 % von dem für die Grundsteuer maßgebenden Regelwert abweicht.

Bayern

Das Finanzgericht Nürnberg hat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt und die Verfassungsmäßigkeit der Bemessung der Grundsteuer auf der Grundlage eines reinen Flächenmodells nach dem Bayerischen Grundsteuergesetz bestätigt. Bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung sei das Bayerische Grundsteuergesetz vor dem Hintergrund des erheblichen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums nicht zu beanstanden. AdV-Anträge gegen die Grundsteuer vor dem Finanzgericht in Bayern sind jedoch kostenpflichtig und eine unbillige Härte ist schwer nachweisbar. Im Streitfall konnte der Kläger keine hinreichenden Gründe vorbringen. Es ist somit die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten.

Niedersachsen

Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Niedersächsischen Grundsteuergesetzes ist vor dem für die Grundsteuer zuständigen 1. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts ein Klageverfahren anhängig (Az. 1 K 38/24). Das Niedersächsische Landesamt für Steuern hat dieses Verfahren als Musterverfahren eingestuft und bestimmt, dass anhängige und künftige Einsprüche gegen Bescheide über Grundsteuermessbeträge bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung ruhen.

Sachsen

Mit Unterstützung der beiden Verbände Bund der Steuerzahler Deutschland und Haus & Grund Deutschland ist eine Musterklage erhoben worden. Das Sächsische Finanzgericht in Leipzig hat jedoch mit Urteil vom 24.10.2023 die Festsetzung der Grundbesitzwerte auf den 01.01.2022 und des Grundsteuermessbetrages auf den 01.01.2025 für rechtmäßig erklärt.

Hamburg, Hessen und das Saarland

Musterklageverfahren gegen das sog. Wohnlagemodell in Hamburg sind aktuell nicht bekannt. Das gilt auch für das modifizierte Bundesmodell im Saarland.

Das im Hessischen Grundsteuergesetz umgesetzte Flächenfaktorverfahren hat zu einer niedrigen Einspruchsquote geführt. Ein Großteil der Einsprüche bezieht sich auf die Verfassungswidrigkeit, jedoch sind keine Klageverfahren bekannt.

Fazit

Die Verfassungsmäßigkeit der neuen Grundsteuerregelungen im Bundesmodell sowie in den Ländermodellen ist noch nicht abschließend geklärt. Durch die Einführung der Öffnungsklausel im Bundesmodell konnte jedoch ein großer Teil der Kritik entschärft werden. Es bleibt abzuwarten, wie der BFH letztlich in den Hauptsacheverfahren entscheidet und ob er das BVerfG anruft. Ebenso stehen die Entscheidungen zu den Ländermodellen noch aus. 

Unabhängig vom Ausgang der verfassungsrechtlichen Prüfung ist aber nicht damit zu rechnen, dass die Grundsteuer künftig nicht mehr erhoben wird. Allenfalls können die Steuerpflichtigen auf (kleinere) Nachbesserungen bei den Bundes- oder Landesmodellen hoffen.

Ansprechpartner

Haben Sie Fragen oder benötigen Sie Unterstützung?

Wenden Sie sich gerne an Ihren lokalen Ansprechpartner oder nehmen Sie Kontakt mit uns auf. Unsere Kolleginnen und Kollegen helfen Ihnen bei allen auftretenden Fragen weiter.