Grenzüberschreitende Finanztransaktionen: Zinslose, unbesicherte Darlehen für ausländische Tochtergesellschaften
Der Fremdvergleichsgrundsatz des § 1 AStG verlangt, dass grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen zu Bedingungen erfolgen, wie sie unter unabhängigen Dritten vereinbart worden wären. Weichen die Vereinbarungen davon ab und kommt es dadurch zu einer Einkommensminderung in Deutschland, wird das Einkommen entsprechend korrigiert. Ziel der Finanzverwaltung ist die Vermeidung von Gewinnverlagerungen ins Ausland durch unangemessene Verrechnungspreise.
Darum ging es im Urteil vom 25. September 2024
Die Beteiligten stritten darüber, ob bei der Klägerin in den Streitjahren eine Berichtigung Verrechnungspreise (Zinsen) und somit der Einkünfte nach § 1 AStG vorzunehmen ist.
Die Klägerin produzierte und vertrieb in den Streitjahren elektronische Teile, überwiegend Kabelbäume für die Automobil- und Elektrogeräteindustrie. Sie war über Beteiligungen mit zwei Tochtergesellschaften in Ungarn und Rumänien verbunden. Diese führten ausschließlich Lohnfertigungen für die Klägerin durch. Die Klägerin gewährte beiden Tochtergesellschaften unverzinsliche und unbesicherte Darlehen zur Finanzierung betrieblicher Investitionen (Hallenbau) und zur Begleichung von Umsatzsteuerschulden.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass die Bedingungen dieser Darlehen einem Fremdvergleich nicht standhalten, da zwischen unabhängigen Unternehmen Zinsen und Sicherheiten üblich gewesen wären. Das Finanzamt erhöhte daraufhin das Einkommen der Klägerin um fiktive Zinserträge (6 % p.a. auf die Darlehensbeträge).
Die Klägerin argumentierte, dass keine tatsächliche Steuerverlagerung ins Ausland stattgefunden habe, da der gesamte Gewinn im Inland versteuert worden sei. Vielmehr sei der Vorteil der günstigen Produktionskosten der Tochtergesellschaften in Rumänien und Ungarn durch die Gestaltung der Verrechnungspreise für deren Werkleistungen bereits vollständig nach Deutschland übertragen worden.
Die Darlehen seien eigenkapitalersetzend gewesen, notwendig für die Funktionsfähigkeit der Tochtergesellschaften und Teil einer einheitlichen Geschäftsbeziehung im Rahmen eines Lohnfertigungsmodells. Zinsen seien im wirtschaftlichen Gesamtkontext nicht fremdüblich und hätten bei einer Anpassung zu einer Minderung des inländischen Gewinns führen können. Es fehle an einer Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 1 AStG bzw. es handele sich nicht um eine eigenständige Geschäftsbeziehung „Darlehen”, sondern um eine einheitliche Geschäftsbeziehung „Lohnfertigung”.
Das Finanzamt hingegen hält an der Berichtigung fest, da die Darlehen rechtlich als Fremdkapital behandelt wurden und die Vertragsbedingungen eindeutig nicht fremdüblich seien. Die Klägerin habe bewusst auf marktübliche Zinsen und Sicherheiten verzichtet, was zu einem fiktiven Steuervorteil im Ausland führe.
Entscheidung des Finanzgerichts
Das Finanzgericht gab der Klage mit Urteil vom 25.09.2024 (1 K 1258/18) teilweise statt. Die angefochtenen Feststellungsbescheide sind rechtswidrig, soweit sie Kapitalüberlassungen der Klägerin an ihre Tochtergesellschaften betreffen.
Die den ungarischen und rumänischen Tochtergesellschaften gewährten Mittel seien als Darlehen und somit als steuerlich anzuerkennendes Fremdkapital zu werten. Zwar fehle teils eine klare Rückzahlungsvereinbarung, jedoch sprechen die Durchführung der Verträge, deren bilanzielle Behandlung und spätere Rückzahlungen für den Fremdkapitalcharakter. Es gäbe auch keine Hinweise auf Überschuldung der Tochtergesellschaften.
Die zinslosen und unbesicherten Darlehen stellten grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen dar, bei denen angebliche fremdunübliche Bedingungen vorlagen. Solche Vereinbarungen würden zwischen unabhängigen Dritten so nicht getroffen. Eine außerbilanzielle Einkünftekorrektur gemäß § 1 AStG sei daher, nach Auffassung der Finanzverwaltung grundsätzlich zulässig.
Aus Sicht des FG Saarlands stehe für die Streitjahre einer Korrektur nach § 1 AStG jedoch entgegen, dass die Klägerin wirtschaftliche, nicht steuerlich motivierte Gründe für die zinslosen Darlehen dargelegt habe (z. B. Konzerninteresse, Förderung der Tochtergesellschaften zur Kostensenkung und Sicherung von Lieferketten). Dies sei europarechtlich geschützt.
Wirtschaftliche Gründe i.S.d. EuGH-Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 31.05.2018 – C-382/16 Hornbach Baumarkt) seien alle außersteuerlichen Motive, etwa betriebliche oder gesellschaftsbezogene Interessen. Im Fall der Klägerin bestand ein nachvollziehbares Eigeninteresse an der Finanzierung ihrer Tochtergesellschaften, um deren Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, Produktionskosten zu senken und eine Zirkelverrechnung von Kosten zu vermeiden sowie den Gesamterfolg des Konzerns zu sichern. Kapitalzuführungen, etwa für den Hallenbau in Rumänien oder zur Vorfinanzierung von Umsatzsteuer in Ungarn, dienten der Liquiditätssicherung und der Stärkung der Marktposition sowie der Niederlassungsfreiheit in der EU. Solche betriebswirtschaftlich sinnvollen Maßnahmen seien keine rein steuerlich motivierten Transaktionen, sodass der strikte Fremdvergleich in Konzernstrukturen relativiert werden kann.
In der Gesamtschau überwiegten die geltend gemachten wirtschaftlichen Gründe für das Absehen von einer Verzinsung bzw. Besicherung die durch § 1 Abs. 1 AStG verfolgten Ziele.
Hinweis: Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen. Diese ist beim BFH ist unter dem Aktenzeichen I R 23/24 anhängig.
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