Deutschland wegen Ungleichbehandlung reinvestierter Veräußerungsgewinne verklagt

Am 14.11.2024 hat die Europäische Kommission beschlossen, Deutschland vor dem EuGH zu verklagen. Sie ist der Auffassung, dass die Voraussetzung des Inlandsbezugs der veräußerten Wirtschaftsgüter für die Inanspruchnahme des § 6b EStG eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstelle.

Deutschland bietet gemäß § 6b EStG die Möglichkeit eines Steueraufschubs für Veräußerungsgewinne, die durch den Verkauf von in Deutschland befindlichen Immobilien erzielt und anschließend reinvestiert werden. Voraussetzung dafür ist, dass das Grundeigentum mindestens sechs Jahre ununterbrochen einer in Deutschland ansässigen Betriebsstätte zugeordnet war. 

Benachteiligung ausländischer Unternehmen

Für Unternehmen, die nach deutschem Recht gegründet wurden, wird angenommen, dass sie eine solche Betriebsstätte am Ort ihrer Hauptverwaltung unterhalten, also in Deutschland, selbst wenn sie dort keiner gewerblichen Tätigkeit nachgehen. Damit können auch inländische Gesellschaften, die lediglich Grundbesitz besitzen und keine Betriebsstätte in Deutschland unterhalten, die Steuervergünstigung des § 6b EStG in Anspruch nehmen.

Dagegen wird bei vergleichbaren Unternehmen, die nach dem Recht eines anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaats gegründet wurden, nicht automatisch davon ausgegangen, dass sie eine Betriebsstätte in Deutschland unterhalten. Daher können diese Unternehmen keinen Steueraufschub für Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von in Deutschland gelegenen Immobilien in Anspruch nehmen.

Einschränkung des freien Kapitalverkehrs

Nach Auffassung der Europäischen Kommission ist das Erfordernis eines Inlandsbezugs eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 AEUV und Art. 40 EWR-Abkommen. 

Bereits im November 2019 hatte die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Deutschland gerichtet und intensive Gespräche aufgenommen, um das Problem zu lösen. Die Kommission ist der Auffassung, dass die bisherigen Bemühungen der Behörden unzureichend sind, und hat daher beschlossen, Deutschland vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen. 

Im Hinblick auf das Reinvestitionserfordernis stellt die Kommission fest, dass der Gerichtshof der Europäischen Union bereits die frühere Regelung des deutschen Steuergesetzes, wonach neu angeschaffte Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens einer in Deutschland belegenen Betriebsstätte zuzuordnen waren, für unionsrechtswidrig erklärt hat (siehe Rechtssache C-591/13, Kommission gegen Deutschland). Der Gesetzgeber reagierte darauf mit der Möglichkeit, die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer auf Antrag über fünf Jahre zu verteilen (§ 6b Abs. 2a EStG).

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